Adventskalender 2017

AdventCalendarCover

Erste Lichtstrahlen fallen durch das kleine Fenster in das Zimmer. Althea, das kleine Asura-Mädchen bewegt sich unruhig in ihrem kleinen Bettchen hin und her. Fast scheint es so, als würde sie versuchen, den Lichtstrahlen, die auf ihrer Nase tanzen, auszuweichen.

Vorsichtig öffnet Althea ein Auge und blinzelt. Beim großen Bookah, wie spät ist es?

Langsam und vorsichtig öffnet sie das zweite Auge. „Was?“, ruft sie entsetzt, als sie auf die Uhr schaut. „Schon so spät?! Warum hat mich denn keiner geweckt?“ Heute ist ein großer Tag für Althea. Vor einer Woche war sie 16 ⅜ Jahre alt geworden und nun kann sie sich endlich für ein Kolleg bewerben, wo sie lernen und später eine große Forscherin werden will. Und es soll nicht irgendein Kolleg werden. Ohh nein, sie will zum Kolleg der Dynamik. Hier wird nicht mit Theorien gearbeitet. Wenn jemand eine Idee hat, holt man sich die Teile, die man braucht, und und legt los. Und wenn das Experiment explodiert? Egal, man lernt aus seinen Fehlern und mit etwas Schwund muss man immer rechnen.

So springt sie aus dem Bett, wirft ihren Lieblings-Teddy mit Namen Chafia einmal hoch in die Luft und fängt ihn mit wedelnden Armen wieder auf. Sie liebt diesen Teddy über alles.

Ihr Papa hatte Althea den Teddy zur Geburt geschenkt und seitdem ist er immer bei ihr. Oh, er sieht nicht mehr besonders gut aus. Einmal musste ein Bein wieder angenäht werden und die Arme sind auch schon ganz schön zerzaust, aber es hängen so viele Erinnerungen an diesem Teddy, sodass Althea sich niemals von ihm trennen wird.

Chafia, heute ist ein ganz besonderer Tag für mich. Wenn ich heute Abend nach Hause komme, gehöre ich zum Kolleg der Dynamik und wenn ich gut lerne, darf ich mich vielleicht schon in 20 Jahren einer Kru anschließen. Ist das nicht toll? In Gedanken fragt der Teddy: Lässt du mich dann alleine? Entsetzt schaut Athea ihren Teddy an. Nein, niemals! Egal, wo ich auch bin, du wirst immer mit mir kommen. So macht Althea kurz ihr Bett fertig, setzt Chafia wie immer zum Schluss auf das Kopfkissen und zieht die Decke halb hoch. „Bis heute Abend Chafia“, sagt das kleine Asura-Mädchen noch und geht dann hoch in die Küche, wo ihre Eltern schon mit dem Frühstück auf sie warten.

Althea verschlingt das Frühstück gerade zu, was ihre Eltern mit einem Lächeln beobachten.

„Sollen wir dich begleiten Althea?“ – Och nö, nicht schon wieder diese olle Diskussion, denkt sich das kleine Asura-Mädchen. Also steht sie auf, schaut ihre Eltern an und sagt: „Ich will da alleine hin und meine Entscheidung bekannt geben. Ich bin alt genug dafür.“ – „Dickköpfig ist unser Nachwuchs, das hast du von Mama!“ Da steigt plötzlich ein Servo auf und fliegt in Richtung des Vaters. Ein „Bitte Mund auf.“ erklingt aus dem Lautsprecher des Servos und bevor der Vater weiß, was passiert, spritzt der Servo ihm eine Mischung aus Sahne und Schmelzkäse in den Mund.

Die Situation ist so komisch, dass Althea sofort lachen muss. Sie weiß, der Servo ist Mamas Rache für den Kommentar ihres Vaters. Schnell nimmt sie ihr Schnappophone 4000 und macht ein paar Bilder von Papa, wie er mit beschmiertem Mund und entgeistertem Gesichtsausdruck dort sitzt.

„Ohhh nein Althea, keine Bilder. Gib mir sofort dein Schnappophone!“ Doch Althea steht schon in der Tür, winkt einmal und ruft: „Bis heute Abend.“ Das Letzte, was alle drei hören, ist die Haustür, die ins Schloss fällt.


Althea läuft ihren Weg zum Labor der Ewigen Alchemie wie so viele Tage zuvor, doch diesmal wird etwas Besonderes passieren. Sie hat von Älteren gehört, wie der Ablauf ist. Ansonsten will ihr ja keiner etwas erzählen. „Lass dich überraschen, Nachwuchs“ war noch die netteste Form, sie wieder wegzuschicken, wenn Althea mal wieder fragte, wie die Verteilung auf die verschiedenen Kollegs passiert. Als das kleine Asura-Mädchen an ihrem Labor ankommt, warten schon viele andere aus ihrer Altersstufe vor der Tür. Es ist ein Geschnatter aller möglichen Stimmen zu hören. Althea kann kaum etwas verstehen,

bis über ihnen eine Kugel in die Luft steigt und mit einem lauten Knall explodiert. Schlagartig wird es ruhig und alle schauen in den Himmel. Aus den Überresten der Kugel formt sich ein Pfeil, der zum Eingang des Labors zeigt. Das ist das Startsignal. Wie eine Horde aufgescheuchter Dolyaks rennen alle Richtung Eingangstür und Althea ist mitten drin. Sie schubst, sie schreit, aber niemand scheint sie zu hören oder zu bemerken. Sie wird einfach mitgerissen und erst als die wildgewordene Masse in der großen Halle ankommt, hört das Gedränge auf. Ein erstauntes „Ahhhhhh!“ entgleitet Altheas Mund, als sie sich umschaut.

Ein Drittel der Halle ist in ein grünes Licht getaucht. Hier ist das Kolleg der Synergetik zu Hause. Fraktale, die Teile der Vergangenheit sind, werden hier Untersucht, um die Ewige Alchemie besser verstehen zu können. Beobachter und Forscher der Vergangenheit sowie Philosophen kommen aus diesem Kolleg. Das bekannteste Mitglied war Zojja.

Althea geht schnell weiter. Sie liebt den praktischen Teil, was soll sie mit der Theorie und der verstaubten Vergangenheit? Sie will loslegen und nicht beobachten.

So dauerte es nicht lange, bis Althea in den lilafarbenen Bereich kommt. Sie weiß sofort, dass dies der Bereich vom Kolleg der Statik ist. Baumeister und Architekten der Ewigkeit nennen sie sich. Pah, Steineschubser und Mörtelkacker sind es für Althea. Das Kolleg der Statik ist das letzte, wo sie hin will. Schnell läuft sie weiter in das blau leuchtende Drittel der Halle. Es kracht, es stinkt, es knirscht, es ist … einfach herrlich! Überall liegen Sachen herum, die für Althea einen Sinn ergeben. Sie weiß, die verstreut liegenden Teile gehören zusammen, um etwas Neues, noch nie Dagewesenes zu werden.

Da ertönt eine schief krächzende Stimme. „Nachwuchs, ich bin Ratsmitglied Phlunt. Wieder sehe ich einen verschwendeten Jahrgang von Versagern vor mir stehen. Aber was soll man machen, mein Jahrgang ist bis heute unübertroffen. Vielleicht schaffen es diesmal die ersten 50 % von euch, die Experimente und Forschungen zu überleben, bis ihr bei eurem Kolleg aufgenommen werdet.“ Experimente? Forschungen? Althea ist verwirrt. Das kleine Asura-Mädchen hatte gehört, dass sie heute einfach nur zu einem Kruleiter hingehen und sich um eine Aufnahme in dessen Team bewerben muss. „Kommen wir nun zum Kolleg mit der besten, weil von der Sterberate höchsten Prüfung. Was ist los, Nachwuchs? Du wirst auf einmal so blass.“ Phlunt schaut Althea an und sie versucht alles, um trotzig zurückzuschauen. „So so, du scheinst Herausforderungen zu lieben. Nun denn, deine Aufgabe wird eine ganz besondere sein. Du kennst Tixx’ Infinirarium, das er jedes Jahr zu diesem merkwürdigen Wintertagsfest der Menschen aufbaut? Deine Aufgabe wird sein, ihm zu helfen und die einzelnen Plätze vorzubereiten. Dazu wirst du in jeder Hauptstadt der Völker Tyrias für ihn etwas bauen müssen. Die Teile dazu musst du vor Ort finden und es muss nützlich sein. Ich werde jedes Mal vorbeischauen und es beurteilen.“ Phlunt kichert böse. „Ich werde viel Spaß haben an den Beurteilungen.“ Dann dreht er sich um und geht weiter.

Althea sackt etwas in sich zusammen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legt. Sie will gerade losschimpfen, weil sie denkt, dass Phlunt zurückgekehrt ist, doch dann sieht sie einen alten Asura vor sich mit herabhängenden grauen Ohren. „Mein Name ist Zoozoo. Ich bin Kruleiter im Kolleg der Dynamik. Ich habe dein Gespräch mit Phlunt angehört. Er ist ein altes Ekel, dass sich selbst für den Größten hält. Ich habe dich seit einiger Zeit beobachtet, Althea Polymock. Du bist wild, ungestüm und voller lebendiger Ideen. Wo andere herumliegenden Müll sehen, siehst du eine Maschine, die sich aus den Teilen natürlich zusammensetzt. Du hast viel Talent und doch, deinen Maschinen fehlt etwas. Die Ewige Alchemie lässt nichts umsonst entstehen. Was ist deine Bestimmung? Warum willst du zu uns?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, dreht der alte Asura sich um und geht. Was soll das Ganze, fragt sich Althea verzweifelt. Erst Phlunt mit seiner unmöglichen Aufgabe und jetzt dieser alte Asura. Verzweifelt dreht Althea sich um und verläßt die große Halle. Sie will nur noch zurück. Zurück zu ihren Eltern, zurück in ihr Zimmer und zurück zu Chafia, ihrem Teddy, den sie über alles liebt und den sie gerade jetzt unbedingt braucht zum An-sich-Drücken und Kuscheln.


So schnell, wie ihre kurzen Asura-Beine sie tragen, läuft Athea zurück nach Hause. Sie ist verwirrt und verunsichert und als sie zu Hause ankommt, erwartet das kleine Asura-Mädchen die nächste böse Überraschung. Ihre Eltern stehen vor der Tür, zusammen mit einigen schwarz gekleideten Asura. „Mama“, ruft Althea schon von Weiten, „was ist passiert? Was sind das für Leute?“ Althea sieht, dass ihre Mutter weint. „Althea, es tut mir leid.“ – „Mama, was ist passiert?“ – „Sie waren zu viert. Ein Mensch, ein Sylvari, ein Norn und ein Charr. Als ich nach Hause kam, habe ich sofort die kaputte Haustür gesehen. Bei uns ist eingebrochen worden!“


„Ja ja, das wissen wir alles“, mischt sich plötzlich einer der schwarz gekleideten Asura ein. „Wir vom Arkanen Auge, der Geheimpolizei der Asura, verfolgen schon länger diese vier Verbrecher. Sie sind in ganz Tyria unterwegs und klauen wie die Raben. Wir wollen jetzt endlich die Aufnahmen Ihres Optoschnarcho 5000-Überwachungssystems sehen.“ Althea wird bleich und schwankt etwas. „Nein, ich bin stark“, murmelt sie vor sich hin. „Ich schaffe das!“ Dabei drückt sie ihre Fingernägel in die Hand, bis es schmerzt. Schritt für Schritt folgt sie allen in das Wohnzimmer. Mama geht an das Optoschnarchos 5000 und starte die Aufnahme. Auf dem großen Bildschirm erscheint das Haus aus verschiedenen Perspektiven, wie es eingerahmt von Bäumen alleine für sich da steht. „Da“, ruft Altheas Mutter plötzlich, „Da sind sie.“ Tatsächlich kann man sehen, wie die Vier sich plötzlich dem Haus nähern. Zuerst der Norn. Riesig ist er, bestimmt drei Meter, mit dicken Armen und einer Narbe auf der Stirn. Er trägt ein Fell, das scheinbar von einem Dolyak stammt, und dazu schwingt er eine riesige Keule. Der Charr wiederum scheint ein Gladium zu sein, ein Ausgestoßener. Dreckige, zerlumpte Kleidung und ein ungepflegtes braunes Fell sind zu erkennen. Er ist mit Messern bewaffnet und das rechte Auge sieht aus, als ob es bluten würde. Der Sylvari machte im Gegensatz dazu einen gepflegten Eindruck. Sauber, die Blätter und Äste auf dem Kopf frisch geschnitten, führt er einen teuer aussehenden Stab mit sich. Ein rotes, unheilvolles Leuchten geht vom Stab aus. Althea erinnert sich daran, dass einige Inquestur-Mitglieder auch solche Stäbe führen. Der vierte im Bunde, der Mensch, hält sich zunächst im Hintergrund. Wie ein Schatten springt er von Baum zu Baum und ist dabei kaum zu erkennen. Sein Gesicht versteckt er hinter einer Maske. Nur die Augen sind zu sehen und diese leuchten smaragdgrün. Althea hat noch nie einen Menschen mit so einer intensiven Augenfarbe gesehen. Der Norn hebt die Keule und mit einem gewaltigen Hieb zerstört er die Tür zu ihrem Haus. Nach und nach verschwinden alle vier im Haus und Mama muss eine andere Perspektive auf dem Optoschnarchos 5000 wählen, um das weitere Vorgehen beobachten zu können. Die Männer vom Arkanen Auge stehen weiter schweigend daneben. Die Männer sind Althea unheimlich, genauso wie die vier Gestalten auf dem Bildschirm, aber jedes Mal, wenn sie beginnt zu schwanken, drückt sie ihre Fingernägel tiefer in die Handflächen. „Nicht umfallen Althea“, sagte sie immer wieder zu sich selbst. Die vier Gestalten gehen in das Haus und untersuchen es systematisch. Zimmer für Zimmer. Alles, was aus ihrer Sicht wertvoll ist, steckt der Norn in einen Sack. Dann kommen sie in das Zimmer von Althea. Sie nehmen alles auseinander, scheinen aber nichts für sie wertvolles zu finden, bis auf … „NEIN!“ Althea sieht, wie der Mensch auf Chafia, auf ihren Teddy zugeht. Er nimmt ihn an sich und steckt ihn in einen kleinen Extrabeutel. „Chafia …“, ist das Letzte, was Althea noch flüstern kann, bevor alles um sie herum schwarz wird. Dass sie ohnmächtig zu Boden sinkt, bekommt das kleine Asura-Mädchen schon nicht mehr mit.

„Chafia!“ Mit einem Schrei fährt Althea wieder hoch. Das kleine Asura-Mädchen liegt in ihrem Bett. Ihre Mutter beugt sich über sie und drückt sie langsam wieder zurück auf das Kissen.

„Wo ist Chafia?“, fragt Althea, obwohl sie die Antwort bereits kennt. Ihre Mutter schaut sie traurig an. „Ich will Chafia wiederhaben!“ – „Es tut mir leid, Althea“, flüstert ihre Mutter ihr ins Ohr, „es tut mir so leid, aber Chafia ist weg – für immer.“ Für immer, für immer, FÜR IMMER. Diese Worte donnern wie Glockenschläge durch Altheas Kopf. Das ist der Moment, wo Althea eine Entscheidung fällt: NIEMAND NIMMT MIR CHAFIA WEG! Wie hat der alte Asura gesagt, ich sei wild und ungestüm? Jetzt werde ich diesen Verbrechern zeigen, wie wild und ungestüm ich sein kann. Althea blickt Mama lange an und versucht tapfer zu sein. „Keine Sorge Mama, alles wird gut.“ Daraufhin nimmt Mama ihre kleine Tochter in die Arme und flüstert leise: „Althea, mein kleines Mädchen, ich bin so stolz auf dich.“ Dann lässt Althea sich zurück ins Bett sinken und Mama gibt ihr einen letzten Kuss, bevor sie das Zimmer verläßt.Altheas letzte Gedanken, bevor sie wieder einschläft, lauten: Ich weiß genau, wie ihr ausseht. Ich werde euch suchen und ich werde euch finden. Dann schläft Althea ein.


In der folgenden Nacht wird Althea pünktlich von ihrem Schnappophone 4000 geweckt.

Leise, still und heimlich zieht sie sich an und nimmt sich einen asurischen Nimmervoll-Beutel. Diese Beutel sind etwas Besonderes, weil sie innen viel größer sind als von außen. Sie packt alles Mögliche hinein, ohne dass der Beutel voller oder auch nur schwerer wird. Natürlich ist auch er eine Erfindung aus dem Kolleg der Dynamik. Ihre Eltern werden nicht verstehen, warum sie einfach so davonzieht. Also entscheidet sie sich, ihnen noch eine Nachricht zu hinterlassen. Sie nimmt ihr Schnappophone 4000, stellte es auf Aufnahme und fängt an:

„Ich liebe euch beide und ich bin unendlich dankbar für alles, was ihr für mich getan habt. Ihr habt für mich gesorgt und mich viele tolle Sachen gelehrt, damit ich selbstständig werde. Gestern in der Schule habe ich einen alten Asura getroffen. Er meinte, ich sei wild und ungestüm und hätte Talent, aber mir fehle etwas. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich werde heute losziehen und versuchen herauszufinden, was er gemeint hat. Macht euch keine Sorgen, ich werde mich immer mal wieder von unterwegs melden.“


Dass Althea loszieht, um die vier Einbrecher zu verfolgen und sich Chafia zurückzuholen, verschweigt sie an dieser Stelle lieber. Ihre Eltern werden sich morgen früh schon genug Sorgen machen. Zum Schluß überspielt sie die Videodatei noch in den Rechner und programmiert ihn so, dass die Nachricht automatisch um 8 Uhr am nächsten Morgen abgespielt wird.

Althea schaut sich ein letztes Mal um, nimmt ihren Beutel und verlässt ihr Zuhause, um auf eine Reise zu gehen. Eine Reise, die größer und gefährlicher werden wird, als sie es sich im Augenblick vorstellen kann …


Als Althea ihr Zuhause verlässt, ist es so dunkel, dass sie kaum etwas sehen kann. So entscheidet sie schweren Herzens, ein Glühled 1000 anzumachen. Ein fliegendes Glühwürmchen, das ihr wenigstens ein wenig Licht spenden kann. Ja, es ist gefährlich. Jemand könnte sie erkennen und Heim schicken oder ein wild gewordener Dschungelwurm könnte sie angreifen, aber das war immer noch besser, als sich hilflos zu verirren. Denn Althea hat ein Ziel. Sie will nach Rata Sum. Dort will sie sich mit Florgg treffen, einem alten Lehrer ihrer Schule. Ihm vertraut Althea, er wird sie verstehen und ihr bei ihrer Suche helfen. Nach wenigen Minuten hat sie ihre Heimat Desider Atum hinter sich gelassen. Über die Voloxian-Passage und das Obscura-Gefälle führt ihr Weg sie weiter in Richtung Soran Draa. „Oh verflixt!“, fast hätte sie das Dschungel-Raptor-Junge übersehen, das von rechts angehüpft kommt. Schnell macht Althea das Licht aus und kauert sich hinter einem Busch zusammen. In einiger Entfernung hört sie das Brechen von trockenen Zweigen. Der Geruch von verfaultem Fleisch steigt ihr in die Nase. Der Raptor muss ganz in der Nähe sein. Nicht bewegen, nur nicht auffallen, denkt sich Althea. Da, ein zischendes Geräusch! Ein kurzer Schrei von einem anderen Tier und dann … Stille. Althea wagt nicht zu atmen. Da hört sie ein weiteres Geräusch, das sich nähert. Ja, dem Quietschen und Ächzen nach, kann das nur ein SRV 3296-Golem sein. Althea hat plötzlich ein Grinsen auf ihrem Gesicht. Sind die alten Schrott-Golems doch mal zu etwas gut. Vorsichtig schaut sie hinter ihrem Busch hervor, aber es ist immer noch zu dunkel, um etwas sehen zu können. Also geht sie doch wieder das Risiko ein und machte das Glühled 1000 an. Althea sieht, wie der junge Raptor, sich am Bein des Golems festgebissen hat und nicht mehr loslässt. Die Programmierung des Golems sieht diesen Fall nicht vor und so versucht der Golem einfach weiterzulaufen. Die Szene ist urkomisch, sodass Althea lauthals lachen muss. „Was machst du denn hier, Kleine?“ Erschrocken dreht Althea sich um.

Sie hatte den Kru-Lehrling nicht kommen sehen. „Bevor du wildfremde Mädchen ansprichst, solltest du wohl besser auf deinen Golem aufpassen oder?“, schnappt sie zurück. Der Kru-Lehrling dreht sich um und ruft noch: „Verflixt und zugeäumelt!“, und rennt dann dem Golem hinterher. Althea nutzt die Chance und rennt ebenfalls los, denn auf ein weiteres Zusammentreffen hat sie keine Lust.

Es wird bereits hell als Althea endlich Rata Sum erreicht. Sie ist bisher nur mit ihren Eltern hier gewesen, aber jedes Mal fällt ihr dieses Gewusel der vielen Völker auf, die Rata Sum bevölkern. Menschen, Sylvari, Char, vereinzelt auch Norn, aber am meisten natürlich Asura. Althea nimmt die alten Wege hinab, tiefer nach Rata Sum hinein. Vorbei an Kaufleuten, der Gildenbank, immer weiter, bis sie in den Bereich „Union der Dynamik“ kommt. Althea sieht einen Dynamik-Lehrling und spricht ihn an. „Excelsior, kannst du mir sagen, wo ich Florgg finde?“ Der Dynamik-Lehrling schaut Althea kurz an und sagt dann schulterzuckend: „Geh runter zu den Studienplätzen der Lehrlinge, dort findest du ihn vielleicht.“

Mit dieser Information geht Althea weiter, bis sie plötzlich in weiter Entfernung ihren alten Lehrer sieht. „Meister Florgg, Meister Florgg!“, ruft Althea so laut sie kann und ihre Beine laufen so schnell, als wolle sie Tootsie, dem schnellsten Moa im Westen, noch Konkurrenz machen. Dass sie dabei einige Asura umrennt und wilde Beschimpfungen auslöst, bekommt sie gar nicht mit.

Als sie endlich vor ihrem alten Lehrer steht, bekommt Althea keinen Ton raus. Ihr Atmen geht schnell und stoßweise.

„Althea, was machst du hier?“, spricht Florgg sie an. „Komm mit mir, du bist ja ganz außer Atem.“ So gehen die beiden weiter in Richtung einer kleinen Nische. „Komm, setzt dich, ich besorge etwas Kaktusbeerensaft und dann kannst du mir erzählen, was dich hierherführt.“ Langsam beruhigen sich Altheas Atem und Herzschlag und mit dem ersten Glas Kaktusbeerensaft findet sie auch ihre Stimme wieder. So erzählt sie Meister Florgg von der Auswahl für das Kolleg, ihrem Treffen mit Phlunt, der ihr eine scheinbar unmögliche Aufgabe stellte, dem alten Asura Zoozoo und schließlich von dem Einbruch in ihr Zuhause. Als sie mit ihrem Bericht endet, wischt sie sich eine Träne aus dem Gesicht. „Sie haben Chafia mitgenommen.“ Dann verstummt sie und blickt ihren alten Lehrer eine Antwort abwartend an. Florgg hat aufmerksam zugehört und sich ab und an sogar eine Notiz gemacht. Er schweigt eine Weile und spricht dann mit bedachtem Ton: „Zorn, Bitterkeit, Rache und Eifersucht sind starke Gefühle, Althea. Sie geben dir gewaltige Kräfte. Sie führen dein Handeln und dein Denken. Dir wurde Chafia weggenommen und du willst aus diesem Grund Rache. Du fühlst Bitterkeit, weil du Chafia nicht beschützen konntest. Du bist Eifersüchtig auf jemanden, der gerade Chafia bei sich trägt. Der Zorn über das Geschehene treibt dich vorwärts.“ Althea fühlt sich nach diesen Worten plötzlich nackt und durchschaut. Ihre Gefühle sind jedoch so stark, dass sie Florgg nur trotzig anschaut und fragt: „Hilfst du mir?“

„Ja, ich werde dir helfen. Warte bitte einen Augenblick. Ich habe Freunde beim Arkanen Auge, die mir einen Gefallen schuldig sind. Ich werde dir alle Informationen besorgen, die du brauchst. Ich verurteile dich nicht Althea, ich sage dir nur, was ich sehe und wohin dein Weg dich führt.“ „Wenn mich dieser Weg zu Chafia führt, dann ist dies mein Weg!“ Mit einem wissenden Nicken verlässt der alte Asura kurz die Kammer und Althea bleibt allein zurück.


Es dauert nicht lange, bis Florgg zurückkommt. Er setzt sich wieder zu Althea und nimmt selbst einen Schluck vom Kaktusbeerensaft. Seine Ohren bewegen sich unruhig hin und her und sein Mund zittert. Doch dann fasst Florgg sich wieder und er fängt an zu erzählen: „Die Gruppe, die du suchst, hat sich getrennt. Mein Informant vom Arkanen Auge berichtete mir, dass bald ein besonderes Fest bevorsteht, welches die Menschen ‚Wintertag‘ nennen. Jedes Jahr zu dieser Zeit trennen sich die Diebe und jeder kehrt in die Hauptstadt seines Volkes zurück. Warum sie das tun, hat das Arkane Auge noch nicht herausfinden können. Keiner weiss, was die Diebe diese Tage treiben. Fest steht jedoch, dass sie sich pünktlich zum Mondneujahr wieder vereinen, um erneut auf Beutefang zu gehen.

Ich habe auch vier Namen für dich. Der Charr heißt Slaug Seelenreißer. Viel ist nicht bekannt, nur dass er ein Gladium ist. Der Norn heißt Kundrag der Gigant. Mein Informant meint, dass jeder einzelne Skritt einen höheren IQ hat als Kundrag, mit seiner Keule kann er jedoch einen großen Dolyak mit einem Schlag fällen. Der Sylvari heißt Ninian Düsterwald. Er war ein hohes Mitglied beim Albtraumhof. Truppen von Mordremoth nahmen ihn gefangen. Als der Dschungel-Drache starb, verschwand Ninian und tauchte Monate später als Teil dieser Gruppe wieder auf. Zum Schluß noch der Mensch. Eratos Mento. Er ist ein ausgebildeter Draufgänger. Er lebte eine Zeit lang beim Weißen Mantel, bis die Inquestur ihn gefangen nahm und an ihm experimentierte.“ Ob daher wohl das grüne Leuchten seiner Augen kommt?, fragt sich Althea in diesem Moment. „Das Arkane Auge konnte auch noch nicht herausfinden, welcher der vier die Gruppe anführt. Sie wissen nur, dass die Gruppe die Ausbeute eines jeden Raubzugs im Anschluss auf einen Haufen legt. Dann nehmen sie sich nacheinander jeder ein Teil davon, solange bis nichts mehr da ist. Das ist alles, was mein Informant mir berichten konnte.“ Althea zittert innerlich, will sich dies jedoch nicht anmerken lassen. Sollen dem nächsten Skritt, den ich sehe, alle Fellbüschel ausfallen!, denkt das kleine Asura-Mädchen. Mit festem Blick schaut sie ihren alten Lehrer an. „Ich danke dir, Meister Florgg. Ich werde als erstes nach Löwenstein und von dort weiter zur Schwarzen Zitadelle reisen. Vielleicht finde ich dort Slaug Seelenreißer, dieses räudige Wollknäuel, und vielleicht hat er auch meine Chafia bei sich. Eine letzte Bitte, wenn meine Eltern fragen, ich war hier, aber nur um mich für ein Dynamik-Kolleg zu bewerben.“ Der alte Asura versteht und willigt ein. Althea erhebt sich, der Zorn in ihr treibt sie an, sodass sie nicht länger verweilen mag. Sie verabschiedet sich von Meister Florgg und begibt sich auf den Weg zurück an die Oberfläche und hin zum Asuraportal nach Löwenstein. Ihr Ziel ist der Coriolis-Platz, an dem Asuraportale in alle Hauptstädte der Völker Tyrias stehen. So gelangt sie am schnellsten in die schwarze Zitadelle.

Die Sonne strahlt Althea direkt ins Gesicht und sie muss die Augen zusammenkneifen, als sie durch das Portal zur Schwarzen Zitadelle kommt. Alles hier ist so … überwältigend groß, aber auch dreckig. Aus den Schornsteinen kommt dauernd Rauch und der Himmel ist verdüstert von schmutzig aussehenden Wolken. Wie kann man hier leben? Wie kann man hier leben wollen? Plötzlich erhält Althea einen Schlag in den Rücken. Das kleine Asura-Mädchen fliegt ein Stück vorwärts und landet schmerzhaft auf allen Vieren. „Verdammt, was stehst du da rum und starrst Löcher in die Luft?“ Vorsichtig dreht Althea den Kopf. Ihre Knie und Hände schmerzen vom Aufprall, aber der Zorn gewinnt langsam die Oberhand. Vor ihr steht ein Charr in einer schmutzigen Rüstung. „Was bist du denn für ein Tier? Wer hat dich frei herumlaufen lassen?“, bellt der Charr in einem merkwürdig hustenden Tonfall. Der Zorn lodert immer heftiger in Althea. Ich bin ein Tier für dich?, denkt die kleine Asura. Sie zieht ihre Beine an sich, damit der Charr nicht sieht, was sie macht, und fängt an zu jammern. Mit ihrer rechten Hand zieht sie jedoch einen kleinen Stock hervor und als der Charr sich nähert, um sie zu packen, stößt sie mit dem Stab zu und verpasst ihm schmerzhafte Stromschläge. Der Charr springt erschrocken auf und jault. Althea springt ebenfalls auf und knickt sofort wieder ein, da ihre kleinen Beine noch nicht mitspielen. Der Charr funkelt sie aus seinen Augen böse an. „Das wirst du mir büßen!“

Da greift ein Adamant-Gardist der Schwarzen Zitadelle ein. „Noch ein Wort und du verbringst die nächsten 30 Tage im Verlies unterhalb der Zitadelle.

Haben wir uns verstanden?“ Der Charr schaut Althea wieder böse an, doch dann wendet er sich ab und verschwindet. Althea zittert nach wie vor am ganzen Körper. „Dies ist kein Ort für ein junges Asura-Mädchen. Hier herrschen rauhe Sitten.“ Althea schaut den Adamant-Gardist an und nickt nur. „Was willst du überhaupt hier?“ „Ich suche einen Charr mit Namen Slaug Seelenreißer.“ Der Adamant-Gardist zuckt zusammen. „Warum suchst du ihn?“ „Er schuldet mir etwas.“ Der Charr geht in die Knie, ist aber trotzdem noch deutlich größer als Althea.

„Pass auf Kleine, du hattest Glück, dass ich grade da war. Beim nächsten Mal hast du vielleicht nicht so viel Glück. Deshalb nimm meinen Rat an und gehe wieder zurück durch dieses Portal.“ „Ich kann nicht“, flüstert Althea, „Ich muss meinen Weg gehen.“ Der Charr richtet sich wieder auf und schüttelt den Kopf. „Ich werde dich nicht hindern, aber lass mich dir sagen, es ist der falsche Weg.“ Damit dreht er sich um und verschwindet wieder in Richtung Tor.

Althea will schon weiterlaufen, als sie ein Psst hört. „He, kleines Asura-Mädchen, komm zu mir.“ Aufmerksam schaut Althea sich um, aber sie sieht niemanden.

„Hier, um die Ecke, komm schon.“ Vorsichtig, ihren Stab vor sich haltend, geht Althea weiter.Schließlich kommt ihr aus einer dunklen Ecke ein zerlumpt aussehender Charr entgegen.

Kampfbereit, soweit ihre Beine es schon wieder zulassen, zischt Althea den Charr an:

„Wer bist du, wie heißt du und was willst du?“ „Viele Fragen, kleines Asura-Mädchen, viele Fragen. Zwei will ich dir beantworten, bevor ich dich etwas frage. Mein Name ist Gil Splittzunge und ich bin ein Gladium. Doch nun zu meiner Frage, was willst du von Slaug Seelenreißer?“ „Er hat etwas gestohlen, was mir gehört. Ich will es wiederhaben!“ Verwundert schaut Gil Althea an. „Slaug soll etwas gestohlen haben? Das kann ich nicht glauben!“ „Er ist ein Dieb, ein ganz gemeiner Dieb und ich will Chafia zurück.“ Althea wird immer lauter und ihre Stimme beginnt sich zu überschlagen. „Psst, sei leise! Du erregst schon Aufmerksamkeit und das ist hier ganz schlecht.“ Aber Althea kann nicht anders, sie schreit weiter. „Los, sag mir, wo ich ihn finde!“ Das Nächste, was Althea spürt, ist ein Schmerz am Kopf und dann gehen bei dem kleinen Asura-Mädchen die Augen zu.

Langsam wird es wieder hell um Althea. In dem Moment, wo das Erwachen beginnt, kommt die Erinnerung wieder und mit einem Satz springt Althea auf, nur um sofort vor Schmerz wimmernd wieder zusammenzusinken.Eine Charr nimmt Althea auf die Arme und schüttelt den Kopf. „Psst, beruhige dich, Kind“, sagt sie mit sanfter Stimme.

Althea versteht nicht, was passiert, aber sie spürt, dass die Charr ihr nichts Böses will. Langsam entspannt sich ihr Körper und das kleine Asura-Mädchen lässt sich bereitwillig tragen. „Ruh dich aus, ich werde dir alles erklären.“ Mit einem bellenden Befehl ruft die Charr: „Los, Kissen. Sofort!“ Wie durch Zauberei werden aus verschiedenen Ecken plötzlich Kissen von helfenden Händen herangetragen. Die Charr legt Althea auf den Kissen ab und setzt sich dann neben ihr hin. „Gil, los, besorg Kaktusbeerensaft!“ Der Angesprochene verschwindet. „Dir wird es gleich besser gehen.“ Althea versteht noch immer nicht, was um sie herum passiert, aber sie merkt, dass sie der Charr vertrauen kann. Sie strahlt so etwas Selbstsicheres aus, sodass Althea sich einfach geborgen bei ihr fühlt.

Da erscheint Gil mit zwei Flaschen Kaktusbeerensaft und zwei Gläsern. Die Charr schaut Althea an und sagt dann: „Bitte sieh es mir nach, wenn ich dir dein Glas nicht reiche. Gläser für Asura sind zu klein und zerbrechlich für die Hände einer Charr. Kannst du es selber füllen?“ Vorsichtig nickt Althea und stützt sich dann auf ihre Ellenbogen. Die Charr nimmt eine ihrer Hände und stützt damit behutsam Altheas Rücken, sodass sie vorsichtig die Flasche nehmen und sich einen Schluck einschütten kann. Erst jetzt bemerkt das kleine Asura-Mädchen, wie durstig es ist. Schnell ist das erste Glas geleert und Althea schenkt sich noch eines ein. Ein Hustenreflex lässt die Hälfte vom Inhalt im Glas auf den Boden schwappen. „Langsam, kleine Asura, langsam.“ Die Charr gibt Althea ein Tuch, das für die Kleine so groß wie ein Bettlaken ist, aber das stört sie in diesem Moment nicht. Althea lehnt sich auf ihren Kissen zurück und atmet tief durch. Dabei schaut sie die Charr die ganze Zeit an. „Bitte erlaube mir, dass ich mich dir vorstelle. Ich heiße Praga Feindspuk. Willkommen im Gladium-Bereich der Schwarzen Zitadelle. Gil Splittzunge hast du ja schon kennengelernt und das da hinten ist der blinde Grough Herzlos. Darf ich fragen, wer du bist und was du hier machst?“ Althea überlegt kurz, ob sie die Wahrheit sagen soll. Die Charr sieht alt aus, das Fell ist an manchen Stellen wie ausgerissen und die Zähne sind teilweise abgebrochen. Doch etwas an Praga Feindspuk ist anders als an anderen Charr. Sind es diese warmen, gütigen Augen? Althea hattw bisher sehr wenig Kontakt zu Charr, aber sie spürt, dass Praga etwas Besonderes ist. Ihre Haltung, ihre Stimme, Althea bemerkt, dass die Alte hier die absolute Autorität hat.

„Ich heiße Althea Polymock. Ich komme aus Desider Atum in der Provinz Metrica.“ „Dann begrüße ich dich, Althea Polymock aus Desider Atum. Du bist weit weg von Zuhause und wenn ich an meine Zeit früher bei der Eisen-Legion denke, dann sehe ich, dass du noch sehr jung bist. Es gibt nur wenig, was eine so junge Asura von Zuhause weg, bis auf die andere Seite Tyrias bringt. Willst du mir deine Geschichte erzählen?“

Althea lehnt sich in die Kissen zurück und beginnt zu erzählen. Ihre Geschichte beginnt an der Stelle, wo sie nach Hause kommt und feststellen musste, dass eingebrochen wurde. Wie das Arkane Auge die Untersuchungen durchführte und von dem Video, welches das Überwachungssystem Optoscharchos 5000 gemacht hat. Als sie dann von Chafia erzählt, ihrem Teddy, den sie über alles liebt, kullern ihr die Tränen in wahren Sturzbächen die Wangen herunter. Althea erzählt weiter, wie sie beschloss, die Täter zu fassen, und sich nachts von Zuhause aus auf den Weg zu ihrem alten Lehrer Florgg machte. Dort, so berichtet Althea weiter, erfuhr sie, dass die vier namentlich bekannt sind. Einer der vier Diebe, heißt Slaug Seelenreißer und ihn will sich Althea als erstes schnappen, natürlich in der Hoffnung, dass er vielleicht Chafia bei sich hat. Bei der Nennung von Slaugs Namen fängt Gil an zu knurren, doch Pragas erhobene Hand reicht, um ihn sofort verstummen zu lassen. So erzählt Althea weiter von ihrer Ankunft in der Schwarzen Zitadelle, dem Kampf mit dem zerlumpt aussehenden Charr und ihrem Gespräch mit dem Adamant-Gardisten. Zum Schluß erzählt sie dann von ihrer Begegnung mit Gil Splittzunge. Praga hört die ganze Zeit interessiert und konzentriert zu. Ab und zu wackelt sie mit den Ohren aber sie sagt nichts.

Nachdem das kleine Asura-Mädchen ihre Geschichte beendet hat, kehrt Ruhe ein. Erst jetzt bemerkt Althea, dass neben den Charr auch ein Sylvari und zwei Menschen dazugekommen sind. „Althea Polymock, ich danke dir für deine Geschichte. Bitte erweise mir die Ehre, nun meine Geschichte zu hören.“ Althea nickt nur. Praga legt sich ihr gegenüber auf die Kissen und bettet ihr Gesicht dabei so, dass sie der kleinen Asura in die Augen schauen kann. Dann senkt sie ihre Stimme und beginnt zu erzählen.

„Weißt du, was ein Gladium ist?“ Althea schüttelt den Kopf. „Du weißt aber, dass die Charr sich vier Legionen zugehörig fühlen können?“ „Ich kenne nur drei“, ruft Althea. „Die Asche-Legion, die Eisen-Legion und die Blut-Legion.“ „Nun, meine kleine, die vierte Legion ist die Flammen-Legion. Die Flammen wurden aus der Schwarzen Zitadelle, unserem Zuhause, vor langer Zeit verjagt. Nach den Gildenkriegen vor vielen Hundert Jahren war es Brandor Grimmflamm, der zu uns sagte, es gäbe keine Götter für die Charr. Zuvor hatte er uns von dem Joch der Flammen-Legion und ihren falschen Götter befreit. Als ich geboren wurde, kam ich sehr schnell in ein Fahrar. Wir Charrkinder, bleiben nur kurz bei unseren Eltern und wachsen dann unter uns auf, gemeinsam wie Brüder und Schwestern. Schnell stellte sich heraus, dass ich Talent für Werkzeuge habe und so kam ich in die Eisen-Legion. Wir bauten große, mächtige Maschinen und da ich Verbesserungen an Waffen erreichen konnte, wurde ich befördert. Irgendwann traf ich einen stattlichen Charr aus der Blut-Legion. Wir sahen uns öfter und lernten uns lieben. Aus dieser Liebe entstand unser Sohn. Die Jahre gingen ins Land und dann kam die Meldung, dass mein Partner von einem Riesen-Verschlinger auf Patrouille getötet worden war. Du kannst dir vielleicht meinen Schmerz in diesem Moment vorstellen. Rasend vor Wut habe ich mich aufgemacht in die Eisenmark, um diesen Verschlinger zu finden und zu töten. Ich nahm meine besten Waffen mit. Das Biest mußte sterben, egal wie. Ähnlich wie du habe ich mich nachts weggeschlichen und ging auf die Jagd. Tagelang zog ich durch Tyria. Der Schmerz, die Wut und der Hass waren meine Begleiter. Sie trieben mich vorwärts. Dann war es endlich soweit. Ich hatte den Riesen-Verschlinger gefunden. Ich wollte ihn nur noch töten! So nahm ich mein Waffenarsenal und legte los. Ich schoss, ich flambierte, ich stach auf den Verschlinger ein. Die Schmerzen, die seine Treffer bei mir verursachten, spürte ich nicht. Immer und immer wieder stach ich auf ihn ein, auch als er schon längst tot war. Irgendwann brach ich bewusstlos neben ihm zusammen. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Bett, welches Oger, die mich gefunden hatten, für mich bereitet hatten. Sie versuchten mich zu pflegen, aber ich hatte Fieber und wäre an meinen Verletzungen gestorben, wenn mich nicht eine Charr-Patrouille gefunden und abtransportiert hätte. Sie brachten mich in die Zitadelle zurück und die Mediziner kümmerten sich um mich. Die Nachricht, die sie dann für mich hatten, war schlimmer als der Tod. Ich hatte eine Entzündung, verursacht durch den Stich eines gebrandmarkten Verschlingers, den es in dieser Form nur in der Eisenmark gibt. Sein Gift ist nicht heilbar und so sagten mir die Heiler einen langsamen und qualvollen Tod voraus, ich sollte noch etwa drei Monate zu leben haben. Da kam mein Sohn an mein Krankenbett und schwor, alles zu tun, um mich zu retten. Er hatte gehört, dass die Flammen-Legion ein Mittel besäße, um das Gift zu neutralisieren. Ich flehte ihn an, es nicht zu holen, doch er hörte nicht auf mich. Zwei Monate später, ich litt zu dieser Zeit schon qualvolle Schmerzen, stand mein Sohn erneut an meinem Krankenbett und verabreichte mir das Gegenmittel. In der gleichen Stunde wurde er verhaftet. Um das Gegenmittel zu bekommen, war er Mitglied der Flammen-Legion geworden. Das ist ein schweres Verbrechen und so wurde er vor Gericht gestellt.

In dem Prozess wurde er für schuldig befunden und aus der Schwarzen Zitadelle verbannt. Da er das Gegenmittel den Medizinern der Schwarzen Zitadelle zur Verfügung stellte, wurde entschieden, die Verbannung einmal im Jahr für drei Tage aufzuheben. An diesen drei Tagen darf er mich besuchen.“ Althea schnieft und einige Tränen kullern ihr Gesicht entlang. „Das ist nicht fair“, murmelt sie immer wieder vor sich hin. „Höre weiter meine Geschichte, kleine Althea. Da ich unerlaubt meinen Trupp verlassen hatte, wurde ich ebenfalls verurteilt. Ich wurde zu einem Gladium, einer Ausgestoßenen. Ich gehöre seitdem keiner Legion mehr an und niemand hilft mir, wenn ich Probleme habe. Ich bin eine Geduldete. Ich zog mich hier in das Gladium-Viertel der Schwarzen Zitadelle zurück. Hier leben Charr, die ebenfalls keinem Trupp mehr angehören. Wir haben uns unser eigenes Viertel geschaffen, wo wir existieren dürfen. Mittlerweile wohnen hier sogar einige Sylvari und Menschen. Auch sie sind von ihrem jeweiligen Volk ausgestoßen worden.

Von den Menschen haben wir dann erfahren, dass es bei ihnen einen Brauch gibt. Einmal im Jahr werden alle Streitigkeiten vergessen. Man trifft sich, redet miteinander, isst zusammen und teilt, was man hat. Man verteilt Geschenke und verbreitet so Freude. Drei Tage, ohne Kampf, drei Tage, wo jeder glücklich ist. Die Menschen nennen es Wintertag. Es sind genau diese drei Tage, wo mein Sohn zu mir kommt, wo wir wieder eine Familie sein dürfen. Bald ist es wieder soweit, in drei Wochen kommt mein Sohn Slaug Seelenreißer!“

In diesem Moment springt Althea auf. „Nein! Das kann nicht sein!“, ruft die kleine Asura. „Es tut mir so leid, Althea Polymock. Jedes Jahr, wenn seine Verbannung ausgesetzt wird, kommt mein Sohn und bringt Geschenke für alle hier mit. Die Ärmsten der Armen, die sich nichts leisten können, bekommen Geschenke zum Wintertag und sind für kurze Zeit glücklich. Bitte glaube mir, ich habe nicht geahnt, wo die Geschenke herkommen, und ich habe auch nie gefragt.“ Althea zittert am ganzen Körper. So viele gegensätzliche Gefühle streiten sich in ihr. Der Zorn über den Einbruch prallt mit voller Wucht auf das traurige Schicksal der Geschichte, die sie gerade gehört hat. „Bitte lasst mich alleine.“ Mit einem verständnisvollen Blick steht Praga auf und scheucht die anderen aus dem Raum. Mit ihrem Gefühlschaos bleibt Althea zurück auf den Kissen. Es dauert lange, bis Althea aus Erschöpfung dann doch einschlafen kann. Die Sonne geht unter und wieder auf, bevor Althea wieder erwacht. Ein Kaleidoskop an Gefühlen dreht sich in ihrem Inneren. Zorn, Hass, Bitterkeit, Traurigkeit, Sympathie und das kleine Flämmchen Hoffnung, das immer brennt, wenn sie an Chafia denkt. Vollkommen in ihren Gedanken versunken, stößt Althea mit ihrem Fuß gegen einen Schrank und etwas fliegt mit einem lauten Knall herunter. Das kleine Asura-Mädchen zuckt zusammen. Es dauert nicht lange, bis sich der Vorhang ein wenig zur Seite bewegt, welcher den Raum bis jetzt abgetrennt hat, und das Gesicht von Praga Feindspuk erscheint.

„Guten Morgen, Althea. Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“ Gut geschlafen? Bei all dem Gefühlschaos? Was soll ich nur antworten? Sie fühlt sich von Praga hintergangen, weil sie erst zum Schluß erzählt hat, dass Slaug Seelenreißer ihr Sohn ist. Sie wußte also die ganze Zeit Bescheid! Warum hat Praga ihr überhaupt zugehört? Warum hat Praga sie zu sich geholt? Wusste sie es wirklich nicht?

Als hätte Praga ihre Gedanken gelesen, antwortet die alte Charr: „Althea, ich bin eine alte Frau. Warum soll ich dich belügen? Ich wusste wirklich nicht, was mein Sohn treibt, und ich werde dir jetzt ein Angebot machen. Mein Sohn ist in den Feuerherzhügeln. Begleite mich und zusammen werden wir ihn besuchen. Er wird dir die Antworten geben, die du suchst.“

Altheas Augen werden groß. „Bitte entschuldige“, sagt sie mit zittriger Stimme. „Woher weißt du, was ich denke?“ „Weil ich damals genauso voller Bitterkeit war wie du jetzt. Meine Gedanken waren die Gleichen. So frage ich noch einmal, willst du mich begleiten?“ Althea steht auf und schwankt ein wenig, weil ihre Beine noch immer etwas schmerzen.

Dann sagt sie mit fester Stimme: „Ich danke dir für alles Praga, und ja, ich möchte dich begleiten.“ „Dann stärke dich noch zusammen mit mir und den Anderen am großen Tisch. Wir erwarten dich in 30 Minuten.“ Damit zieht sich das Gesicht von Praga wieder zurück und Althea ist wieder alleine. Mit zaghaften Bewegungen geht unser kleines Asura-Mädchen in den Waschraum, zieh sich aus und stellt sich unter die Dusche. Ohh, wie sehr vermisst sie in diesem Momenten den Waschoflux 6000. Erst Wasser mit einstellbarer Stärke, von Quaggan-Platscher bis Tequatl-Flutwelle, dann Infrarotstrahlung auf 8000 Hekto-Oolas, die einen im Handumdrehen trocknen, und zum Schluss der Wind der Kristallwüste auf Palawa-Joko-Stufe 4, der die abgestorbenen Hautschuppen entfernt. Stattdessen tropft von oben Wasser von einem Blatt herunter und trocknen muss Althea sich mit einem Handtuch, das so groß ist wie zwei Bettlaken. Aber irgendwann ist auch dieses unerfreuliche Kapitel beendet und so kann sie sich auf den Weg zum Frühstück machen.

Gil, zwei Menschen, ein Sylvari und natürlich Praga sitzen bereits am Tisch.

„Komm zu uns, Althea, du musst essen. Unser Weg ist lang und wird gut zwei Tage dauern.“

Komisch, Althea spürt erst in diesem Moment wieder, wie viel Hunger sie tatsächlich hat. Die kleine Asura setzt sich an den Tisch und vieles, was sie an Essen sieht, ist ihr neu. „Keine Sorge, ich habe Erkundigungen eingezogen, was für dich genießbar ist. Alles, was hier steht, kannst du essen.“ Die Neugier siegt und Althea nimmt sich von allem etwas. Plötzlich wird sie rot. Es ist doch etwas viel auf ihrem Teller. Gil fängt hämisch an zu grinsen.

„Ich habe ein Loch im linken Backenzahn, die Menge würde nicht als Füllung reichen. So überlebst du nicht eine Stunde unserer Reise.“ Praga wirft Gil einen warnenden Blick zu, was diesen sofort verstummen lässt. Althea zeigt sich davon nicht beeindruckt. Für sie ist es immer noch sehr viel und so versucht sie, so schnell wie möglich zu essen, ohne dabei gierig auszusehen. Nach dem Frühstück bittet Praga Althea mitzukommen. Sie werden nicht alleine auf die Reise gehen. Gil Splittzunge wird sie begleiten, dazu noch Grough Herzlos. Der alte Charr kann zwar kaum noch hören, dafür aber umso besser riechen. Er erschnüffelt Feinde im Umkreis von fünf Kilometern und das war noch ein Untertreibung. Gil war, bevor er ein Gladium wurde, Mitglied der Asche-Legion. Er kann gezielt die kleine Gruppe verschwinden lassen und das für sagenhafte zwei Minuten, egal wie nah der Feind ist. Seine Devise lautet: „Was dich nicht sieht, greift dich nicht an“.

Die Sonne steht in ihrem Zenit, als die vier zusammen das Gladium-Viertel verlassen. Althea liegt in einem Körbchen, das Praga sich auf den Rücken geschnallt hat. „So verbrauchst du weniger Energie und fällst auch nicht auf“, hat sie gesagt..Dem kleinen Asura-Mädchen ist dies recht, so kann sie das erste Mal eine Nachricht für Zuhause vorbereiten. Mama und Papa, Althea seufzt und Sehnsucht überkommt sie, doch dann erscheint Chafia vor ihrem inneren Auge und ihr kleiner Teddy schreit um Hilfe. Zorn, Hass, Bitterkeit und der Wunsch nach Rache übernehmen sofort wieder die Oberhand. Althea legt ihr Schreibwerkzeug weg. So aufgeregt kann sie keine Nachricht schreiben.

Als die Sonne versinkt, kommt die kleine Gruppe in der Charrtor-Freistatt an. Morgen werden sie in die Wanderer-Hügel überwechseln, um dann wenig später den Eisklamm-Sund zu durchqueren. Doch für heute soll die Reise erst einmal enden. Praga hat für alle ein Zimmer besorgt und so schlafen die vier wenig später ein, nur Althea nicht. Sie friert und dabei sind sie noch nicht mal in den Wanderer-Hügeln. So sucht sie sich ein Plätzchen am Bauch von Praga. Die Wärme, die die Charr aussendet, ist wie ein loderndes Kaminfeuer. Dazu ist das Fell sehr weich und kuschelig und so dauert es nicht lange, bis Althea dann auch einschlafen kann.

Am frühen Morgen setzt die Gruppe ihre Reise nach dem Frühstück fort. Das kleine Asura-Mädchen liegt wieder in dem Körbchen und ihre Stimmung ist so gut, dass sie beschließt, heute endlich den Brief zu schreiben. Der Text wird länger und länger und Althea bemerkt erst, als die anderen schon das Essen bereiten, dass sie mitten im Eisklamm-Sund angekommen sind. Das warme Fell von Praga hat sie bisher geschützt. Jetzt beim Essen fegt der eisige Nordwind durch ihre Kleidung. Althea friert und setzt sich so nah wie möglich an das Feuer. „Heute Abend kommen wir beim Erdbeben-Bassin an. Kurz bevor wir die Feuerherzhügel erreichen, werden wir dort übernachten und morgen Abend erreichen wir dann die Höhle, wo wir auf meinen Jungen treffen werden.“

Wenig später geht die Reise weiter und Althea ist froh, wieder im warmen Korb zu liegen.

Dank Groughs Nase können sie zweimal Gruppen gefährlicher Grawle umgehen. Wie vorausgesagt geht die Sonne hinter den Bergen bereits unter, als sie am Erdbeben-Bassin ankommen. Althea bemerkt, wie Praga mit zwei Asura von den Wachsamen verhandelt und steigt aus ihrem Korb. Neugierig kommt sie näher, weil sie sonst nicht alles mitbekommt.

Es geht wohl um die gebuchten Zeltplätze, die jetzt nicht zur Verfügung stehen, weil eine neue Abordnung der Wachsamen heute eingetroffen ist. Es wird mit einem Angriff des Leutnants von Jormag gerechnet und so sind die Truppen verstärkt worden. Althea bemerkt sehr schnell, dass Praga nicht weiterkommt. So trifft sie einen Entschluss und geht mit großen Schritten auf die beiden Wachsamen zu. „Was ist hier los?!“, blafft sie die beiden Wachsamen an.

„Wer bist du denn?“ – „Ich bin Aletta, die Tochter von Ratsmitglied Phlunt. Mein Vater hat mich gebeten, eine wichtige und geheime Aufgabe für den Arkanen Rat zu übernehmen. Ich kann nicht darüber sprechen, vor allem nicht vor diesen Charr hier!“ Althea dreht sich um und macht eine abschätzige Handbewegung gegenüber ihren Begleitern. „Also, habt Ihr ein Nachtquartier für mich, oder muss ich erst meinem Vater eine Nachricht schicken, der sich anschließend bei General Seelenhüter über Euch beschwert?“ Althea kann sehen, wie die beiden blass werden. „Bitte entschuldige uns, wir räumen ein Zelt für dich und dein Gefolge.“ Nach wenigen Minuten wird die Gruppe in ein Zelt geführt. Es ist nicht warm, aber es ist trocken – und das ist schon mal viel Wert. Die Wachsamen verabschieden sich und als die Gruppe unter sich ist, fängt Gil an zu lachen. „Du kleines Biest! Dafür hast du meinen Respekt verdient.“ – „Ja, das war gut gespielt“, meint nun auch Praga. Wenig später liegt Althea wieder an das warme Bauchfell gekuschelt und das Letzte, was sie macht, ist auf die Senden-Taste von ihrem Schnappophone 4000 zu drücken. Die Post an ihre Eltern war fertig. Am nächsten Morgen geht die Reise in aller Frühe weiter. Althea ist froh, als sie die kalten Zittergipfel verlassen und wieder in die warme Sonne der Feuerherzhügel zurückkehren. Von Rostschale aus, immer weiter nach Süden, führt sie der Weg. Unterwegs treffen sie auf Charr-Patrouillen, ebenso wie auf freundliche Grawl-Stämme. Sie vermeiden jedoch jeden Kontakt, denn sie wollen unentdeckt bleiben. Ihr Ziel ist die Abtrünnigen-Einöde. Was für eine Ironie, denkt sich Althea. Für die Charr sind ihre drei Reisebegleiter Abtrünnige, aber doch tun sie mehr für ihr Volk als andere.

Als die Sonne ihren Zenit überschritten hat und es langsam, aber merklich dunkler wird, kommt die Gruppe endlich bei den Höhlen von Gottes Schädel an.

„Praga, ich möchte gerne etwas wissen. Du hast mir erzählt, dein Sohn komme nur drei Tage im Jahr zu dir in die Zitadelle. Woher weißt du dann, wo er gerade steckt?“ Ohne zu zögern, erklärt Praga: „Jedes Mal, vier Wochen vor dem Wintertagsfest, besucht er das Grab seines Vaters. Die Stelle, an der ich den Riesen-Verschlinger getötet habe. Dort verbleibt er 24 Stunden, um seinen Vater zu ehren. Danach führt ihn sein Weg in die Feuerherzhügel, genau in diese Höhle, weil es dort etwas gibt, was er schon als Kind sehr gerne genascht hat. Es gibt eine Stelle, da wächst wilder Butternusskürbis. Dort bleibt er immer bis drei Tage vor Wintertag. Dann macht er sich auf den Weg.“ – „Und wie geht es jetzt weiter?“ – „Wir gehen in die Höhle und warten. Er muss essen und allein von Butternusskürbis wird auch mein Junges nicht satt. Er wird kommen, wenn es Zeit ist zu schlafen. Wir werden ein Feuer in der Höhle anmachen und ich werde meine Halskette an den Eingang legen. Wenn er diese sieht, weiß er, dass ihm keine Gefahr droht und dass ich es bin, die ihn erwartet.“

Und so betritt die Gruppe die Höhle, beseitigt einige Höhlenspinnen und wartet. Die Sonne versinkt und nur das Feuer spendet mit knackenden Lauten noch Licht für die Höhle. Praga fängt an, leise zu singen. „Mit starken Armen und mächtigen Schwertern, suchten wir die Geister heim. Von Rache getrieben, weil wir sie vertrieben, stellten sie sich dem Kampf.“ Da erklingt plötzlich eine andere Stimme: „Mit Feuer im Herzen und ohne viel Schmerzen, schickten wir sie zurück ins Grab.“ – „Ich grüße dich, mein Junge.“ – „Mutter, was machst du hier?“ – „Komm in unsere Runde und setzte dich. Es gibt viel zu besprechen.“

Slaug Seelenreißer tritt in den Schein des Lagerfeuers. Er sieht genauso aus, wie Althea ihn von den Bildern in Erinnerung hat, die sie auf dem Optoschnarchos 5000 gesehen hatte. Ihre Hand geht zu dem Stock, den sie unter ihrer Kleidung verbirgt, doch Praga legt eine Pfote auf ihre Schulter, schaute sie an und sagt: „Bitte, dazu besteht kein Grund.“ Mit Mühe versucht Althea sich zu beherrschen. „Die beiden räudigen Flöhe, die neben dir sitzen, kenne ich, aber was ist das da neben dir? Hast du dir ein Haustier zugelegt?“ Wieder schaut Praga Althea eindringlich an. „Das, was du so verächtlich ein Haustier nennst, ist ein Asura-Mädchen. Sie heißt Althea und ich bin froh, sie kennengelernt zu haben. Behandle sie mit Respekt. Und nun setzt dich hin, du musst mir einiges erklären.“ Mit einem leichten Schnauben setzt sich Slaug in die Runde und schaut Praga fragend an. „Jedes Jahr bringst du Geschenke mit, wenn du kommst. Du feierst das Fest der Menschen mit uns, damit wir wenigstens etwas haben, auf das wir uns freuen können. Dafür ist dir das ganze Gladium-Viertel sehr dankbar. Doch jetzt erzähl, wo warst du die letzten vier Wochen?“ Slaug schaut zu Boden und beginnt zu erzählen. „Ich war in den letzten Wochen in der Flammenkamm-Steppe. Zusammen mit einigen Gladium-Freunden habe ich dort gegen den Zerschmetterer gekämpft. Wir wollten beweisen, dass wir würdig sind, in Zukunft wieder einem Trupp anzugehören.“ Die letzten Worte hallen noch als Echo von den Wänden, als Parga wie ein Schatten verschwindet und plötzlich hinter Slaug wieder erscheint. Sie packt zu und schleudert ihn einmal quer durch die Höhle. „Hör mir gut zu, mein Junge!“, donnert sie. „Ich bin alt und ich bin dir zu Dank verpflichtet, aber ich verspreche dir, wenn du mich noch einmal anlügst, werden meine Klauen dich nicht mehr durch die Gegend schleudern … Dieses kleine Asura-Mädchen ist Althea Polymock. Du hast mit deinen Kumpanen ihr Zuhause in der Provinz Metrica überfallen!“ Die letzten Worte faucht Praga ihrem Sohn nur noch ins Geschicht. „Sprich die Wahrheit!“

Altheas Gefühle wechseln im schnellen Rhythmus von Respekt für Praga, über Zorn auf Slaug, zu Mitleid. Ich habe Mitleid mit dem Charr, der mein Zuhause überfallen hat? Gebannt wartet Althea, was der Charr erzählen wird, und er fängt an zu berichten.„Bei den Menschen gibt es ein Sprichwort. ‚Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.‘ Nach meiner Verbannung bin ich durch die Flammenkamm-Steppe gezogen. Doch egal, wohin ich kam, keiner wollte mir Arbeit geben. Wie der Ausgestoßene, der ich nunmal bin, wurde ich überall abgelehnt. Keiner wollte etwas mit mir zu tun haben. Meine Waffen zum jagen musste ich mir selbst bauen. Ab und zu hatte ich Glück und konnte eine Waffe von einem Gefallenen erbeuten. Jedes Mal, wenn ich dachte, es geht aufwärts, weil mir doch jemand Arbeit gab, dauerte es nicht lange und sie fingen in meiner Umgebung an zu tuscheln. Ich lernte schnell, was dann passiert. Der Vorarbeiter kommt und erklärt, dass sie für einen Gladium keinen Platz haben, und so musste ich immer weiterziehen. Nach einigen Monaten sah ich ein, dass ich im Gebiet der Charr kein Glück haben würde. So ging ich nach Löwenstein. Dort war es anders. Niemand interessierte sich dafür, ob ich ein Gladium war oder nicht. Hier zählte nur,dass ich zupacken konnte. Also fing ich an, Güter auf große Schiffe zu verladen. Endlich, dachte ich, geht es aufwärts. Ein, zwei Monate gingen ins Land, als sich Gerüchte verbreiteten, dass dem Kapitänsrat aufgefallen sei, was für ein starker Arbeiter ich war, und dass ich deshalb befördert werden sollte. Die Vergangenheit schien hinter mir zu liegen, als ich morgens an meinem Dock ankam. Doch da bemerkte ich, dass durch die Ritzen von zwei Säcken Blut quoll. Da ich nicht wusste, was los war, zog ich mein Schwert und bewegte vorsichtig einen Sack weg. Da rutschte mir die Leiche eines Menschen entgegen. Aus einem Reflex heraus erhob ich das Schwert zur Verteidigung, doch genau da kam einer der anderen Arbeiter, sah die Leiche und rief: ‚Mörder!‘ Ich wusste, dass mir niemand glauben würde und so lief ich weg.

Als die Wachsamen mich schon fast ergriffen hatten, rettete mich im letzten Augenblick ein Mensch. Er hieß Eratos Mento und er machte mir ein Angebot. Wenn ich seinem Trupp beitreten würde, könnte ich viel Geld verdienen und vor allem würde er dafür sorgen, dass mich nie wieder jemand auf den Toten anspräche, den ich am Hafen entdeckt hatte. In diesem Moment war mir alles egal und alles recht. Ich war überall nur auf Ablehnung gestoßen und jetzt war ich für die Wachsamen auch noch ein Mörder. Also entschied ich mitzumachen. Wir zogen durch ganz Tyria und ich konnte von der Beute immer genug beiseite legen, um zum Wintertag bei dir zu sein und Geschenke zu verteilen. Wenigstens drei Tage im Jahr wollte auch ich glücklich sein. Ist das zu viel verlangt?“ Althea spürt instinktiv, dass die ganze Geschichte wahr ist und ein neues Gefühl steigt in ihr auf. So kraftvoll und mächtig, dass es die Bitterkeit, die von ihr Besitz ergriffen hatte, einfach hinweg fegt. Dieses Gefühl heißt Mitleid. „Slaug Seelenreißer, du hast mein Zuhause überfallen, mir meine Sicherheit geraubt und meine Eltern und mich sehr traurig gemacht. Doch dir hat das Leben noch viel schlimmer mitgespielt. Deshalb habe ich nur eine Frage an dich. Als ihr mein Zuhause geplündert habt, war bei eurer Beute auch ein Teddy dabei. Mein Teddy. Ich will ihn wiederhaben! Hast du ihn bei deiner Beute?“ Slaug überlegt lange, bevor er antwortet. „Ich bitte um Verzeihung für das, was wir getan haben. Ich weiß, was du meinst, aber nein, bei der Verteilung der Beute ging dein Teddy an Kundrag den Giganten. Er hatte schon immer ein kindliches Gemüt, aber was er genau damit vorhat, weiß ich nicht.“ – „Er lügt nicht, Althea“, flüstert Praga ihr leise ins Ohr. „Ich sehe an seinen Augen, dass mein Junge nicht lügt, dass die ganze Geschichte wahr ist.“ In Althea ringen die Gefühle immer noch miteinander. Auf der einen Seite das Mitleid, das die Bitterkeit ersetzt hat, auf der anderen Seite brennt der Zorn, die Eifersucht und der Wunsch nach Rache. Doch sie kann diese Gefühle nicht mehr auf den Charr übertragen. Nicht nachdem sie seine Geschichte kennt.

„Wo finde ich Kundrag den Giganten?“ Der Charr schaut sie lange an, bevor er sagt: „Ich habe gehört, dass er sich auf den Weg nach Hoelbrak gemacht hat.“ – „Dann führt mich mein Weg dorthin. Praga Feindspuk, dir danke ich für deine Hilfe. Du hast mir Wärme gespendet, Essen gegeben und du hast mich gelehrt, dass es andere gibt, denen es schlechter geht als mir. Obwohl du nicht viel hast, hast du es mit mir geteilt. Das werde ich nie vergessen und dir immer dankbar sein. Gil Splittzunge, dir und Grough Herzlos danke ich für die Begleitung. Ohne euch wäre ich niemals so weit gekommen. Doch morgen früh muss ich weiter in Richtung Hoelbrak. Ich muss Chafia finden und zurückholen. Ich muss Kundrag den Giganten finden und erfahren, was er mit meiner Chafia gemacht hat.“ Praga, Gil, Grough und Slaug ziehen feierlich ihre Messer und ritzen sich in ihre Pfoten. Sie lassen je einen Tropfen Blut auf Altheas Kopf tropfen und Praga sagt: „Althea Polymock, du bist von nun an ein Teil von uns. Wir sind eine Familie. Wir kämpfen zusammen und wir beschützen einander. Wir werden dich auf deiner Reise begleiten.“

Althea ist so gerührt, dass ihr die Tränen in die Augen steigen. Ihr fehlen in diesem Moment einfach die Worte, um ihre Gefühle zu beschreiben. Alle rücken zusammen und Praga sagt leise: „Morgen geht das Abenteuer weiter.“

Althea verbringt die sternenklare Nacht wieder dicht angekuschelt an Pragas Fell. Es ist nicht kalt, aber es gibt Althea nicht nur ein Gefühl von Wärme, sondern auch von Geborgenheit. Sie fühlt sich sicher bei der alten Charr. Ihre Gefühle mischen sich wie in einem Orchester mit ihren Gedanken. Aber es ist kein schönes Lied, das erklingt. Nach wie vor ist Althea zerrissen.

Der Zorn auf die drei anderen, wühlt heiß durch ihren Körper. Sie will Rache nehmen für das, was ihr und Chafia angetan wurde. Doch am schlimmsten brennt die Eifersucht auf denjenigen, der Chafia jetzt gerade in seinen Armen hält, Kundrag der Gigant!

Ich werde dich finden und Chafia aus deinen kalten, toten Armen herausholen. Mit diesen Gedanken schläft Althea endlich ein. Mit den Strahlen der aufgehenden Sonne wird es wärmer und Athea macht vorsichtig ein Auge auf. Der Geruch von Himbeeren steigt in ihre Nase. „Komm, iss ein wenig“, sagt eine leise Stimme hinter ihr. Althea zuckt zusammen, springt auf und zieht ihren Stab.

Slaug steht neben ihr und hält ein Schälchen mit Himbeeren vor ihre kleine Nase. Erst als das bewusste Denken einsetzt, lässt Althea langsam den Stab sinken. „Bitte entschuldi…“ Slaug bringt sie mit einem Wink seiner Pfote zum Schweigen. „Wir sind alle Kinder unserer Erfahrungen und ich bin eine böse Erinnerung. Alles ist in Ordnung, solange du mir eine Chance gibst.“ Mit diesen Worten drückt er Althea das Schälchen in die Hand, dreht sich um und geht. Das kleine Asura-Mädchen verstaut ihren Stab wieder sorgfältig unter ihrer Kleidung und fängt an, von den Himbeeren zu kosten. Sie sind frisch und köstlich und so dauert es nicht lange, bis das ganze Schälchen leer ist.


Gestärkt geht Althea zu den anderen, die schon abmarschbereit auf sie warten. „Unser Weg führt uns zurück zur Rostschale“, erklärt Slaug grade den anderen. Dort im Grenzgebiet zum Eisklamm-Sund werden wir über das Erdbeben-Bassin zum Abgrund der Verzweiflung weiter gehen. Der Schluchtengang beim Abgrund wird von Grawlen bewacht, die jeden angreifen, der da durch will. Uns jedoch werden sie in Ruhe lassen, weil ich den Grawl-Schamanen Okamuk im Kampf besiegt und somit seinen Respekt erlangt habe. Okamuk wird uns dort übernachten lassen und auch mit Essen versorgen. Anschließend führt uns unser Weg weiter in die Schauflerhöhlen in der Groznev-Senkung. Tief in den Höhlen gibt es einen Durchgang, den kaum jemand kennt. Er bringt uns direkt in die Schneekuhlenhöhen und damit in das Gebiet, wo wir Kundrag finden werden.“

„Wo genau finden wir Kundrag?“, fragt Praga. Slaug schaut sie lange und bedeutungsschwer an, bevor er antwortet. „Das Gebiet nennt sich ‚die Leiden des verirrten Kindes‘.“

So macht sich die Gruppe auf den Weg. Grough geht wie immer ein Stück voraus und führt die Gruppe so einige Male an Gefahren vorbei, die sie sonst viel zu spät erkannt hätten. Erst die Flammen-Legion und dann, nach dem die Grenze überquert wurde, überall Eisbrut. Gegen Mittag verlassen Althea die Kräfte, aber an Pause ist nicht zu denken, denn sie wurden von einer Gruppe der Söhne Svanirs entdeckt, die jetzt Jagd auf sie machen. Grough und Slaug bleiben zurück und stellen sich zum Kampf, während der Rest weiterzieht. Althea sitzt erschöpft auf dem Rücken von Praga und schaut ängstlich zurück. Die beiden Charr bewegen sich wie Schatten, als die Söhne Svanirs näher kommen. Plötzlich taucht Slaug wie aus dem Nichts hinter dem einen Sohn Svanirs auf und läßt seinen Knüppel auf dessen Kopf tanzen. Da taucht plötzlich ein anderer Sohn Svanirs hinter Slaug auf und hebt seine Keule. Mit aller Macht, die ihre kleine Stimme hergibt schreit Althea: „Pass auf!“, doch Slaug scheint sie nicht zu hören. Da springt Praga ein Stück nach unten und weiter um die Ecke, so dass Althea nicht mehr weiter sehen kann, was passiert. „Praga, wir müssen zurück! Slaug ist in Gefahr!“ Doch Praga schüttelt nur stumm den Kopf und läuft weiter. Bis Praga endlich stehen bleibt, hat Althea jedes Zeitgefühl verloren. Sofort rutscht sie von Pragas Rücken runter und ruft: „Warum hast du nicht gewartet? Slaug hat unsere Hilfe gebraucht!“ „Nein, das hat er nicht.“ Das kleine Asura-Mädchen setzt zu einem Wieso an, aber Praga stoppt sie sofort und sagt: „Charr hören mit den Ohren, aber fühlen mit dem ganzen Körper. Als der Sohn Svanirs seine Keule hob, war er praktisch schon tot. Slaug wusste genau, wann die Keule den höchsten Punkt erreichen würde. In diesem Moment peitschte sein Schweif, der am Ende ein Messer hält, in Richtung der Brust des Svanirs. Der Keulenschlag, der für Slaug gedacht war, traf den Sohn Svanirs und gab ihm den Rest.“ – „Aber woher weißt du das?“, fragt Althea verwirrt. „Weil sie mir diesen Trick selber beigebracht hat“, kommt es von der Seite. Slaug Seelenreißer und Grough Herzlos kehren beide in diesem Moment zurück. Althea rennt auf beide zu, umarmt sie und kuschelt sich in ihr Fell. „Was soll das denn?“, fragt Slaug in diesem Moment. „Glaubst du, ich habe Ungeziefer im Fell, oder was suchst du da?“ Zornig springt Athea ein Stück weg. „Du dummer, blöder Charr, du!“ Nach diesem Wutausbruch läuft sie ein Stück weit weg. Althea bleibt allein und es dauert nicht lange, bis sie eingeschlafen ist.

Doch es kann gefühlt nur kurz gewesen sein, denn wenig später wacht sie auf und hört ein Knistern, so als ob jemand auf trockenen Ästen herumläuft, die unter seinem Gewicht brechen. Sofort zieht das kleine Asura-Mädchen wieder ihren Stab und schaut sich kampfbereit um. Wo sind die Anderen? Da tauchen plötzlich mehrere Grawle vor ihrem Gesicht auf. Sie sind aufgeregt, schreien und fuchteln mit ihren Waffen herum. Da taucht endlich Slaug auf und ruft: „Ich bin Lebensschenker Slaug. Schamane Okamuk hat mir den Titel Lebensschenker und Freund der Grawle im Abgrund der Verzweiflung selber gegeben. Seht das Totem von Okamuk um meinen Hals.“ In diesem Moment kehrt Ruhe ein und die Grawle betrachten gebannt das Totem. „Lebensschenker, der Wunsch unseres Schamanen ist uns Gesetz und heilig. Was sind deine Wünsche?“ – „Bringt uns zu eurem Schamanen Okamuk. Wir wollen zusammen das Fest der Lebenden feiern.“ – „Dann folgt uns, wir werden zusammen die Lebenden ehren.“ Zusammen mit den vier Grawlen zieht die kleine Gruppe weiter Richtung Abgrund der Verzweiflung. Althea ist ziemlich verwirrt, da sie so ein Verhalten bei Grawlen noch nie erlebt hat. Unterwegs, werden Kaninchen und ein alter Dolyak gejagt. Dazu kommen Trauben von Büschen, die am Wegesrand stehen und Weißer Schneetrüffel. Die Sonne verschwindet gerade hinter dem Horizont, als die Gruppe im Gebiet der Grawle ankommt. Wenig später stehen sie gemeinsam vor dem Grawl-Schamanen. „Lebenschenker Slaug“, kommt es etwas schwer verständlich aus dem Mund des Schamanen. „Willst du wieder gegen mich kämpfen?“ Slaug tritt vor „Nein, großer Okamuk. Deine Kampfkunst kennen zu lernen, ist eine Ehre, und ich durfte sie einmal erfahren. Meine Freunde und ich möchten mit dir heute Nacht das Fest der Lebenden feiern.“ Der Grawl schaut von seinem Stein, auf dem er steht, auf die Gruppe herunter. „Ihr kennt das Fest der Lebenden? Seit wann kennen Charr und Asura das Fest der Grawle?“ – „Wir kennen leider nur einen kleinen Teil. Bitte erzähle uns die ganze Geschichte.“ Der Grawl schaut scheinbar in die Ferne, bis er plötzlich aufschreit und sein Totem in die Höhe reißt. „Akamar! Drehbasch! Mockbar! Euch zu Ehren soll heute Nacht ein Fest gefeiert werden, das den Abgrund der Verzweiflung erzittern lässt!“

Und so bittet der Schamane die Gruppe zum Lagerfeuer. Es wird gegessen, getrunken und getanzt und als der Mond am höchsten steht, beginnt Schamane Okamuk die Geschichte der drei größten Grawl-Schamanen zu erzählen.

„Noch vor den Gildenkriegen, vor vielen Jahrhunderten, lebten die Grawle in ganz Tyria verteilt. Ständig auf der Suche nach unseren Gottheiten, die sich in verschiedener Form zeigen. Mal als Eisstatue, mal als Eisbrut-Quaggan oder auch als großer Baum. Jeder Schamane muss seine Form unserer Gottheiten suchen und finden. Einige Charr nutzten diese Suche aus und gaben vor, unsere Gottheiten gefunden zu haben. Es wären brennende Riesen, sogenannte Titanen, denen wir dienen sollten. Sie waren größer, stärker und mächtiger als alles, was wir bis dahin gesehen hatten. So führten viele große Schamanen riesige Gruppen von Grawlen hin zu der Feuerring-Inselkette an die Befleckte Küste. Sie beteten die Titanen an, in der Hoffnung, dass etwas von der Macht auf die Grawle übergehe. Drei Schamanen jedoch, die mit einer Gruppe von jeweils 150 Grawlen ebenfalls auf der Feuerring-Inselkette angekommen waren, hielt sich zurück und beobachteten nur. Etwas stimmte nicht. Wenn die Titanen so mächtig waren, warum führten die Charr uns zu ihnen? Warum riefen uns die Titanen nicht selbst? Als alle Grawle sich den Titanen nährten, um sie anzubeten, gab es eine Explosion und die Feuerring-Inselkette versank mit den Titanen und den Grawlen im Meer.

Nur den Gruppen, die sich um die drei Schamanen versammelt hatten, gelang gerade noch rechtzeitig die Flucht. Sie waren die letzten ihrer Art, und so entschlossen sie sich zu einem Neuanfang. Akamar ging nach Kryta mit seinen Grawlen. Drehbasch ging nach Elona und Mockbar versuchte sein Glück in Cantha. Die drei nannten diesen Tag der Trennung den Tag der Lebenden, der seit dem einmal pro Jahr gefeiert wird und dieser Tag ist heute. Heute werden alle Grawle friedlich sein. Die Waffen werden ruhen und es wird gegessen, getrunken, gesungen, gelacht und getanzt.“

Und so nimmt das Fest der Grawle seinen Lauf. Althea ist fasziniert von dieser Andersartigkeit. Sie wusste bis dahin nicht, dass Grawle singen können, dass Grawle mehr können, als wild die Keule zu schwingen und herumzuhüpfen. Sie versteht die Lieder der Grawle nicht, aber die Art, wie sie singen, fühlt sich für Althea gut und richtig an. Mal traurig, mal voller Freude, wie eine Reise durch ihre eigenen Gefühle. Die Fackeln verbreiten dazu passendes Licht und das Essen und der Wein aus den gesammelten Trauben, sorgen bald dafür, dass alle die Last der Gedanken, Sorgen, Ängste und Nöte für einige Stunden vergessen können. Für einige Stunden sind sie alle Kinder Tyrias.

Die Sonne steigt bereits empor als das Fest endet. Althea schläft noch fest, als Slaug und Praga zum Schamanen Okamuk gehen. „Wir müssen bald weiterziehen, großer Schamane. Doch zuvor danken wir dir und deinem Stamm, dass wir Essen, Ehre und Freundschaft mit euch teilen durften.“ – „Einmal im Jahr“, sprach der Schamane, „soll Glück, Freude und Herzlichkeit herrschen. Doch in wenigen Stunden wird wieder die Wildheit die Oberhand gewinnen. Die Natur lässt sich nur kurz unterdrücken. Es ist besser, wenn ihr jetzt geht.“ Slaug nickt nur und geht mit Praga zusammen zurück zu Grough, Gil und Althea, die noch immer zusammengekauert in einer mit Blättern bedeckten Ecke am Schlafen waren. Vorsichtig nimmt Praga das kleine Asura-Mädchen und bettet es in das Körbchen, das sie auf dem Rücken trägt. Als die Sonne den höchsten Punkt erreicht, geht die Reise weiter. Die Groznev-Senkung wartet.

Über das Leopardenschwanz-Tal und die Zufluchtküste erreicht die Gruppe die Höhlen der Schaufler. Althea ist mittlerweile aufgewacht und fängt an, am ganzen Körper zu zittern. Es ist dunkel, kein Mond und nur sehr wenige Sterne sind am Himmel zu sehen. Dazu das ständige Geschrei und man hört dauernd Schüsse. „Was ist da los?“, fragt Althea in Richtung von Pragas Kopf. Die Ohren der alten Charr drehen sich die ganze Zeit wild hin und her. „Ein Teil der Schaufler rebelliert wieder. Es gibt Anführer unter den Schauflern, die mit der Inquestur zusammenarbeiten und damit ihre Genossen an diese Gruppe verkaufen. Die Schaufler-Kommissare bekommen dafür Technologie von der Inquestur und die rangniederen Schaufler müssen dafür Arbeiten der Inquestur erledigen. Da Schaufler aber in der Vergangenheit ein versklavtes Volk waren, rebellieren sie sehr schnell, wenn sie das Gefühl haben, dass sie wieder benutzt werden sollen. Ab jetzt herrscht Ruhe. Gil und Slaug werden uns abwechselnd unsichtbar machen und dann werden wir durch die Höhlen schleichen. Wenn nur einer mit seinen Zähnen knirscht oder mit seinen Ohren wackelt, werden die Schaufler uns finden und dann sind wir dran.“ So duckt Althea sich noch tiefer in ihr Tragekörbchen und versucht mit aller Kraft ihr Zittern zu unterdrücken. Geräuschlos läuft die Gruppe Stück für Stück durch dunkle Höhlen. Althea fragt sich, wie man sich hier bei den vielen Abzweigungen zurechtfinden kann, aber grade als ihr Mund aufgeht, um zu fragen, hörte sie ein schrilles Kreischen und so schließt sie ihren Mund sofort wieder. In einiger Entfernung sind Schatten zu sehen. Die Schatten kommen näher. Das Kreischen nimmt an Lautstärke zu. Althea legt ihre Hände an die Ohren, sie will dieses Geräusch, dieses schrille Kreischen nicht mehr hören! Dazu drückt sie ihre Augen so fest zu, wie sie kann. Ein Luftzug streift ihren Kopf und dann – spürt sie eine Berührung an ihrem Arm. Althea reißt ihre Augen weit auf und will grade schreien, doch eine Pfote legt sich auf ihren Mund. „Pssst, ganz ruhig. Wir sind fast am Durchgang.“ Es ist Gil, der ihr durch Zeichensprache versucht klar zu machen, dass sie es fast geschafft haben. „Du musst nur noch ein bisschen durchhalten.“ Althea nickt und versucht, ihr Zittern wieder zu unterdrücken. So geht es weiter und wenig später sieht sie den von zwei Schauflern bewachten Durchgang. Ein letztes Mal werden sie unsichtbar und mit einem kleinen Luftzug überwinden sie die Barriere zwischen beiden Gebieten.

Die Schaufler auf der anderen Seite der Barriere sind im Vergleich zu ihren Kameraden im Eisklamm-Sund keine ernste Bedrohung. Ihre Waffen und ihre Ausbildung sind deutlich schlechter und so dauert es nicht lange, bis sich die kleine Gruppe den Weg freigekämpft hat. Als sie den Höhlenbereich verlassen, ist es immer noch dunkel.

„Noch etwa eine Stunde, bis es hell wird“, meint Praga. „Wir können nicht hier bleiben“, erwidert Slaug. „Ein Stück Richtung Süden ist eine Station der Söhne Svanirs. Unser Ziel liegt zwei Stunden in Richtung Osten. Wenn wir hierbleiben, werden wir bald Besuch von einer Patrouille der Söhne Svanirs haben. Das möchte ich vermeiden.“ Da meldet sich Althea zu Wort. „Bitte, lasst uns weiterziehen. Wenn nur noch zwei Stunden Weg vor uns liegen, bis wir bei Kundrag sind, dann will ich weiter.“ Praga schaut zu Gill, dieser zu Grough und zum Schluss alle zu Slaug. Als dieser nickt, springt Althea an seinem Fell hoch setzt sich auf seinen Kopf und zieht an seinen Ohren. „Lauf, mein kleiner Charr, lauf.“ Während Slaug ziemlich merkwürdig seine Schnauze verzieht, verfallen die Anderen in brüllendes Gelächter.

An einem gewaltigen Felsmassiv vorbei läuft die Gruppe Richtung Osten. Kurz bevor es den Berg hoch geht, bleibt Slaug stehen. „Nach meinen Informationen gibt es oben ein Lager. Dort trifft sich Kundrag immer am Wintertag mit einigen Kodan und anderen Norn.

Wenn wir Kundrag treffen, stürmt nicht wild los. Ich habe kein Interesse daran, mir die Kodan oder die Norn zum Feind zu machen. Lasst mich vorgehen und mit ihm reden. Das gilt auch für dich, Althea. Ich hoffe du verstehst das.“ In diesem Moment blitzt es in Altheas Augen kurz auf, aber sie verspricht sich zurückzuhalten. Langsam geht die Gruppe den Berg hoch und nähert sich dem Lager. Sie sehen einige Kodan und einen Norn. Er sitzt ganz allein, links neben zwei Baumstümpfen. Das Gesicht in Richtung Boden gewandt. In der Nähe steht eine Kodan, die seltsam das Zepter schwingt. Groughs Nase hängt witternd im Wind. Etwas stimmt nicht. Althea stürmt los in Richtung des Norn. Den Stab hoch erhoben schreit sie: „Wo ist Chafia?“ Da stürmt auch Grough los, aber in Richtung der Zepter schwingenden Kodan. Praga, Gil und Slaug, bleiben wie angewurzelt stehen. Nur ihr Fell beginnt sich zu sträuben. Althea erreicht den Norn, der nun langsam, wie in Zeitlupe, den Kopf in Altheas Richtung dreht. Als sie sein Gesicht sieht, bleibt sie entsetzt stehen und schreit laut auf. Dieser Schrei ist das Startsignal für die drei anderen, jetzt ebenfalls den Berg hoch ins Lager zu laufen. Als sie bei Althea ankommen und dem Norn ins Gesicht sehen, bleiben sie wieder wie angewurzelt stehen. „Was ist das?“, fragt Althea mit brüchiger Stimme. „Wer ist das?“ Slaug geht auf die Knie und schaut dem Norn in sein Gesicht. „Kundrag, was ist mit dir passiert?“ Alle sehen, wie sich das Gesicht des Norn ständig verändert. Da kommt aus dem Hintergrund Groughs Stimme. „Ich glaube, sie will uns etwas sagen.“ Die ganze Gruppe dreht sich herum und schaut die Kodan an. „Mein Name ist ‚Gefolgt von der Nacht‘ und mein Herz ist tot.“

„Der Norn ist eine Illusion, nicht wahr?“, fragt Grough. „Kommt an das Lagerfeuer, lasst mich die ganze Geschichte erzählen.“ Damit verschwindet die Illusion von Kundrag oder was es auch immer war. Alle setzen sich um das Lagerfeuer und Gefolgt von der Nacht fängt an zu erzählen.


„Mein Sohn, Reißende Welle, war noch ein Kind, als unsere Flucht aus dem Bitterfrost-Grenzland begann. Die Eisbrut drängte uns immer weiter nach Süden und Jormags Eisstürme machten es uns unmöglich, in unserer Heimat weiter zu leben. So zogen wir weiter in Richtung Eisklamm-Sund. Wir suchten Heim und Schutz auf der Blauen Eleganz, einem großen Kodan-Schiff, doch es war einfach zu wenig Platz für alle. So wanderten wir weiter, bis wir hier in den Schauflerschreck-Klippen ankamen. Wir bauten unsere Zelte auf und gingen auf die Jagd. Doch auch hier kamen irgendwann die ersten Söhne Svanirs an und begannen uns anzugreifen. Wir wehrten uns tapfer und kämpften für unsere neue Heimat. Doch dann passierte das Unglück. Eines Tages kam ich von der Jagd zurück und mein Sohn, Reißende Welle, mein ganzer Stolz, meine ganze Liebe, war verschwunden. Wir suchten ihn überall, konnten ihn aber nicht finden. Nach Wochen der Verzweiflung verstand ich, dass er jetzt bei Koda ist. Alle meine Gefühle und meine Hoffnung verwandelten sich in Wut, Trauer und Verzweiflung. Koda hatte mir das Wichtigste in meinem Leben genommen. In dieser Situation kamen ein Mensch, ein Sylvari und ein Norn hier an. Alle drei waren ziemlich beladen. Sie wünschten für eine Nacht eine sichere Unterkunft und wir gewährten sie ihnen. Der Norn erzählte, dass er hier ganz in der Nähe ein Kinderheim besuchen will. Er hätte extra Spielzeug gesammelt, um es den Waisenkindern zu geben.“„Er ist ein Dieb, ein hundsgemeiner Dieb“, schreit Althea in diesem Moment dazwischen.

Praga legt beruhigend eine Pfote auf Altheas Kopf und gibt Gefolgt von der Nacht ein Zeichen weiter zu erzählen. „Es dauerte nicht lange, bis die Gruppe in Streit geriet. Ich verstand nicht, worum es ging, nur, dass es bald zu Handgreiflichkeiten kam. Der Norn hob eine Keule und wollte grade auf den Menschen einschlagen, als dieser sich plötzlich verwandelte. Seine Augen leuchteten hellgrün auf und er verschwand, um nur einen Augenblick später auf den Schultern des Norn zu erscheinen. Seine Finger waren wie Dolche, die sich tief in den Körper des Norn drückten. Ein letztes Aufstöhnen und der Koloss sackte in sich zusammen. Als der Sylvari sah, was passiert war, schnappte er sich die Säcke von Kundrag und seinen eigenen und rannte wie der Teufel. Der Mensch jedoch ging in die Knie und ich sah, dass seine Füße wie Wurzeln waren, die sich tief ins Erdreich gegraben hatten. So verharrte er etwa eine halbe Stunde, bis sich diese Wurzeln wieder aus dem Erdreich herauszogen und sich in normale, menschliche Füße verwandelten. Dann stand er auf, schaute mich an und sagte: ‚Sprich mit niemanden darüber. Wenn du leben willst, erschaffe eine Illusion von dem Norn der hier war. Gib ihm den Namen Kundrag und lass ihn ruhig in der Ecke sitzen. Er muss nicht reden, nur da sein.‘ Aus Angst tat ich, was der Mensch sagte. Ich nahm mein Zepter und erschuf die Illusion von Kundrag. Wenig später verschwand der Mensch und eine Woche später seid ihr nun hier aufgetaucht. Sagt, werdet ihr mich töten?“

Praga schaut die Kodan an. „Ist es das, was du willst? Willst du getötet werden, um deinem Sohn wieder nahe zu sein?“ Es dauert einige Zeit, bis die Kodan antwortet. „Mein Sohn wird wiedergeboren werden, aber ich hätte ihm gerne noch vieles gesagt und gezeigt. Vielleicht hätte ich so die Chance, ihm noch etwas mitzugeben, bevor er das nächste Leben betritt. Ich vermisse ihn so sehr!“ Praga, schaut Althea an, dann Grough und Gil, um anschließend an ihrem Sohn Slaug hängen zu bleiben. Dann fängt Praga an zu erzählen. „Ich kenne einen Kodan, der sich um die Position der Stimme Kodas beworben hatte. Er unterlag im Kampf seinem Mitbewerber. Daraufhin zogen wir einige Zeit gemeinsam durch den Eisklamm-Sund bis hin zu den Feuerherzhügeln. Dabei konnte ich einem Todesritual der Kodan bei wohnen.“

„Du kennst das Shadara, das Todesritual der Kodan?“, ruft Gefolgt von der Nacht überrascht aus. „Ich durfte teilnehmen und assistieren“, kommt die Antwort von Praga.

„Was ist dieses Todesritual?“, fragt Althea „In einer Vollmondnacht, dann, wenn die Monde am höchsten stehen, müssen dreimal Thymian, zweimal Minzblätter und fünf frische Winterbeeren miteinander vermischt werden. Dazu kommt eine Phiole mit kraftvollem Blut. Das wichtigste ist jedoch, dass ein Stück Fell von der Person, die gestorben ist, als Letztes mit beigegeben wird.“ – „Bähhh, was für eine ekelhafte Mischung ist das denn!“, ruft Althea und schüttelt sich. Praga berichtet weiter: „Der Teil der Familie, der dies trinkt, nach dem es viermal vier Minuten über einem offenen Feuer erhitzt wurde, kann mit seinem Kind ein letztes Mal Kontakt aufnehmen“, vollendet Gefolgt von der Nacht den Satz.

„Lass uns für dich die Vorbereitungen treffen“, meint Praga. „Wir haben morgen Abend Doppelvollmond. Nutz die Zeit zur rituellen Waschung.“

Die Kodan steht auf und schaut sie von oben herab an. „Warum tut ihr das für mich?“ Und Praga antwortet: „Weil bald Wintertag ist.“ Gefolgt von der Nacht versteht diesen Satz nicht und auch nicht den Sinn, aber sie hat zum ersten Mal wieder Hoffnung. „Gil, du besorgst tief im Süden bis morgen früh dreimal Thymian und zweimal Minzblätter. Fünf frische Winterbeeren habe ich noch. Slaug, du besorgst mit Grough eine Phiole mit kraftvollem Blut. Althea, du und ich, wir machen aus Pflanzenfasern besondere Schnüre, die wir Gefolgt von der Nacht für das Ritual an ihre Arme und an ihren Hals legen müssen. Diese Schnüre werden ihr Anker sein, wenn ihr Geist in den Nebeln wandert, um sich dort mit ihrem Sohn zu treffen.“ Wenig später löst sich die Gruppe auf und jeder macht sich an die Arbeit. Althea versucht sich ihren Frust nicht anmerken zu lassen. Wieder haben sie Chafia nicht gefunden und es gibt offensichtlich im Augenblick keine heiße Spur. All die Abenteuer, all die Gefahren, die sie auf sich genommen hat für nichts und wieder nichts. „Konzentrier dich“, mahnt Praga. So vergehen Stunden, in denen sie aus Pflanzenfasern Schnüre drehen. Dabei bestreicht Praga diese Schnüre immer wieder mit einer Art von Fett. Abends, als Althea und Praga am Lagerfeuer sitzen, kommt Gefolgt von der Nacht zu ihnen. „Ich möchte euch danken. Du hast gesagt, ihr macht es, weil bald Wintertag ist. Ich weiß nicht, wer oder was dieser Wintertag ist, aber er muss sehr mächtig sein.“ Das Holz im Lagerfeuer knackte noch ein wenig, bis die drei wenig später einschlafen.

Am nächsten Morgen kommt als erstes Gil wieder zurück ins Lager. Er hat wie gewünscht dreimal Thymian und zweimal Minzblätter mitgebracht. Während er sich schlafen legt, nimmt Praga einige der Schnüre und hält sie ins Feuer. „Sie verbrennen ja gar nicht“, wundert sich Althea.

„Sie müssen genau 13 Sekunden im Feuer liegen, dann bekommen sie durch das Fett eine harte Kruste, welche die Bänder noch stabiler macht“, erklärt Praga. „Was passierte damals bei dem Schaschadour, bei dem du dabei warst?“ – „Nein Althea, es heißt Shadara“, erklärt Praga nachsichtig. „Eine Kodan hatte damals ihren Mann verloren. Sie hatten sich bei ihrem letzten Treffen heftig gestritten und konnten sich durch seinen Tod nicht mehr versöhnen. Sie wollte Kontakt aufnehmen und Frieden schließen.“ – „Und, hat es funktioniert?“ – „Ja, sie bekam Kontakt zu ihrem Mann und beide konnten sich aussöhnen. Doch die Zeit reichte gerade so. Die Grenze zu den Nebeln einzureißen, kostet viel Kraft und es hat einen hohen Preis.“ – „Was meinst du damit“ fragt Althea. „Du kannst maximal fünfmal trinken. Der erste Schluck gibt dir die Kraft, die Barriere zu den Nebel zu durchbrechen und um dich 30 Minuten dort aufzuhalten. Aber es kostet neben den Zutaten noch einen weiteren Preis. Jeder Schluck, kostet dich zehn deiner Lebensjahre.“ Erschrocken sieht Althea auf. „Wie kann das sein?“ – „Die Barriere wird von Seelen gebildet, die nach dem Glauben der Kodan ohne Hoffnung auf Wiedergeburt sind. Wenn ein Lebender nun versucht, diesen Wall aus hoffnungslosen Seelen zu durchbrechen, nehmen sie demjenigen etwas von seiner Lebensenergie, um sich selber zu stärken und wieder Hoffnung zu geben. Spätestens nach dem 5. Schluck bist du so geschwächt, dass du durch die Barriere nicht mehr zurück zu den Lebenden kommen kannst. Es dauerte vier Schlucke, bis sich beide ausgesöhnt hatten. Die Kodan sah anschließend aus wie eine 100-Jährige. Ich habe so etwas nie wieder gesehen. Es war schrecklich.“ – „Aber warum hast du dann diesen Vorschlag gemacht?“, fragt Althea. „Weil der Schmerz des verlorenen Kindes Gefolgt von der Nacht bald in den Tod getrieben hätte. Wir sind ihre einzige Hoffnung.“

Gegen Nachmittag kommen Slaug und Grough wieder im Kodan-Lager an. Ihre Rüstungen hängen an einigen Stellen in Fetzten und sie bluten, aber sie haben die Phiole mit kraftvollem Blut. Althea will neugierig fragen, aber als sie in die müden Gesichter sieht, holt sie nur ein Tuch und beginnt, bei Slaug das Fell zu reinigen. Als die Sonne untergeht, stößt Gefolgt von der Nacht zu der kleinen Gruppe. Sie hat sich so wie es Vorschrift ist, in mehreren Phasen und Ritualen gewaschen und ist nun bereit. Die Gruppe geht schweigend nach oben, direkt an den Rand des Berges. Aus der Erde kommen drei Baumstümpfe die jetzt wichtig werden. Praga beginnt, mit den Schnüren, die Althea und sie hergestellt haben, die Hände der Kodan an den einen Baumstumpf zu binden. Am Zweiten befestigt sie den Hals. An den letzten Baumstumpf bindet sie die Füße. Dann zündet Praga ein Feuer an, beginnt die Zutaten zu mischen. Es brodelt und dampft und als die letzte Zutat in den Topf geworfen wird, ein Stück Fell von Reißende Welle, glaubt Althea sogar, Schatten um den Topf tanzen zu sehen, aber das war natürlich Blödsinn. Es ist soweit, beide Monde Tyrias stehen direkt senkrecht und in voller Größe am Himmel. Praga fragt: „Bist du bereit? Ist es dein freier Wille, in die Nebel zu gehen und deinen Sohn zu suchen?“ Gefolgt von der Nacht antwortet: „Ich bin Mutter, was gibt es größeres als sein eigenes Kind zu schützen? Ich will es von ganzem Herzen!“

Praga nimmt den Topf und führt ihn an die Schnauze der Kodan. Gefolgt von der Nacht nimmt einen Schluck und windet sich anschließend wie in Krämpfen. Sie schreit und tobt und plötzlich wird sie still. Althea beobachtet das ganze mit vor Schreck geweiteten Augen. Sie kann im Mondlicht erkennen, wie Gefolgt von der Nacht altert. Da macht die Kodan die Augen auf, die jetzt rot leuchten, und sie spricht: „So viel Hoffnungslosigkeit. Ich hätte beinahe die Barriere nicht durchdringen können. Ich rufe jetzt meinen Sohn. Bitte wartet ab, stört mich nicht.“ Sekunden werden zu Minuten, in denen nichts passiert. Zehn Minuten, zwanzig Minuten, die Kodan liegt mit offenen, rot leuchtenden Augen einfach nur da. In der 27. Minute passiert es. „Ich habe ihn, ich sehe Reißende Welle. Er kommt auf mich zu. Schnell, ich brauche den nächsten Schluck, sonst verliere ich ihn!“ Praga nimmt den Topf und führt ihn der Kodan wieder an die Schnauze. Hastig nimmt sie einen Schluck. Der Körper bäumt sich auf und windet sich in Qualen und wieder sieht Althea, wie der Körper älter wird. Das Fell verfärbt sich, an manchen Stellen verschwindet es ganz. Es ist gruselig. „Reißende Welle, mein Sohn, bitte sag mir, was ist passiert?“ Und Reißende Welle fängt an zu erzählen.

„Gefolgt von der Nacht, bist du tot?“ – „Nein, mein Kind, ich bin durch die Nebel gereist, um dich zu suchen. Was ist passiert?“ – „Es tut mir leid, ich war unvorsichtig. Ich war am Dom des verdorbenen Eises bei den Söhnen Svanirs. Ich wollte wissen, wann sie uns wieder angreifen, und versuchte sie deshalb auszuspähen. Da packte mich von hinten ein Veteran. Ich versuchte zu fliehen, konnte seinen Kräften aber nicht entkommen. Er brachte mich in den Dom und dort fragte mich ein Svanir-Priester, ob ich bereit sei, Jormag zu dienen. Als ich dies ablehnte, meinte er nur, dass Jormag dann keine Verwendung für mich habe. Er holte einen Dolch hervor und …“, da bricht die Stimme ab. Gefolgt von der Nacht spürt den Sog, der sie wieder zurückziehen will ins Reich der Lebenden. „Schnell, gib mir noch einen Schluck!“, ruft die Kodan und und Praga nimmt den Topf. Althea kann den Anblick des Folgenden nicht mehr ertragen und dreht sich einfach weg. Wieder bäumt sich der Körper auf und Althea hörte das Stöhnen. Reißende Welle spricht weiter: „So liege ich immer noch im Dom des verdorbenen Eises der Svanir. Ich bitte dich Mutter, hole meinen Körper dort raus und verbrenne ihn, so dass ich reinen Herzens Koda gegenübertreten kann.“ Der Körper der Kodan macht wie zur Bestätigung, eine Bewegung mit beiden Armen. „Wie ich sehe, hast du Freunde gefunden. Freunde, die reinen Herzens sind, die aber eine große Last auf ihren Schultern tragen. Ich kann ihnen vielleicht helfen. Ich habe hier in den Nebeln einen Freund gefunden. Er heißt Kundrag.“ In diesem Moment dreht sich Althea schlagartig um und auch alle anderen schauen gebannt auf die Kodan. „Was hat Kundrag uns zu sagen?“, stellt Praga die Frage, die alle beschäftigt. „Kundrag hat eine Botschaft für Slaug Seelenreißer.

Eratos Mento hat uns alle verraten. Er dient einer dunklen Macht, die jede Freude und jedes Glück verhindern will. Es tut mir leid mein Freund. Ninian und ich wussten nicht, wer von euch beiden es war. Als ich bemerkte, dass meine Nachforschungen zu offensichtlich waren, war es zu spät. Es kam zum Streit und er tötete mich. Slaug, mein Freund“, die Stimme der Kodan wurde immer leiser, „finde das Buch.“ – „Welches Buch?“, ruft Slaug erschrocken. „Wo soll ich suchen?“ – „Im Dom, der Kleine wird dir den Weg weisen.“ – „Kundrag! Kundrag!“ Slaug schreit seinen Namen, aber die Kodan antwortet nicht mehr. Langsam entschwindet das Rot in ihren Augen und Praga wird schlagartig lebendig. Sie zieht rhythmisch an den Bändern. Zuerst an denen, die an den Beinen befestigt sind, dann an den Armen und zuletzt an den Halsbändern. „Der Rhythmus wird ihr den Weg zeigen, zurück in das Reich der Lebenden.“ Minuten vergehen. Praga lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und zieht immer wieder an den Schnüren. Nach über zwei Stunden wacht Gefolgt von der Nacht endlich wieder auf. Sie ist um Jahre gealtert und trotzdem glänzen ihre Augen. „Ich konnte einen Teil meiner Erfahrung und meines Wissens auf Reißende Welle übertragen. Wenn er bereit ist für sein nächstes Leben, wird er es nicht unvorbereitet und leer beginnen müssen. Doch an euch habe ich noch eine Bitte. Geht mit mir zum Dom und holt dort meinen Sohn, auf dass er seinen Frieden finden kann.“ – „Worauf du dich verlassen kannst“, tönt Althea sofort. „Ich will Wissen, was in diesem Buch steht, das Kundrag erwähnt hat.“

Die Sonne geht gerade auf und eigentlich wäre es die ideale Zeit gewesen, um aufzubrechen, aber nach den Strapazen der Nacht sieht selbst Althea ein, dass es Sinn macht, wenigstens vier Stunden zu schlafen, etwas zu essen und erst danach aufzubrechen. So dauert es nicht lange, bis alle in den Zelten liegen und eingeschlafen sind. Die Schreie von zwei Eulen in der Nähe wecken Althea. In ihrem Kopf herrscht das totale Durcheinander und sie versucht alles, um dieses Durcheinander zu ordnen. So viel hatte sie erlebt. Am meisten hatte sie das Verhalten von Gefolgt von der Nacht beeindruckt. Eine Mutter, die ihr Leben und ihre Lebenszeit opfert, um ihrem Kind noch etwas mit auf den Weg zu geben. Das war Liebe. Ich glaube, sie vermisst ihren Sohn genauso oder sogar noch mehr als ich Chafia. Uns beiden ist etwas geraubt worden, aber sie hat ihren Zorn auf Koda gegen Liebe austauschen können. Ob ich das wohl auch schaffen werde? In diesem Moment öffnet sich das Zelt und die Schnauze von Praga kommt in das Zelt. „Ah, wie ich sehe, bist du wach.

Komm zu uns ans Feuer, wir essen und dann ziehen wir los.“ Althea nickt Praga zu und wenig später verlässt sie das Zelt, um mit den Anderen zu essen und sich auf den Kampf vorzubereiten. Es wird Blut fließen und Althea hofft, dass es kein Blut aus ihrer Gruppe sein würde. Die Gruppe um Althea, Praga, Slaug, Gil, Grough und Gefolgt von der Nacht wurde noch durch zwei weitere Kodan verstärkt.

Als die Sonne dann ihren höchsten Stand erreicht, zieht die Gruppe in Richtung Süden. Schon von Weitem sehen sie die Zähne verdorbenen Eises hoch in den Himmel ragen. Zusammen schaffen sie es zu einen Dom mit einer Höhle und das, was sie verbirgt, ist ihr Ziel. Verborgen von den Zähnen liegt die Leiche von Reißende Welle. Doch die Zähne alleine sind nicht das Hindernis. Dazu kommen Söhne Svanirs und Eisbrut-Wölfe. Als Einheit, wie unsichtbar miteinander verbunden, legen sie los. Erst sind es zwei Söhne Svanirs, die sie aufhalten wollen. Dann kommt ein Eisbrut-Wolf dazu. Althea spürt seinen Eisatem an ihren Händen und beinahe will sie ihren kleinen Doch fallen lassen. Doch da nimmt Praga ihre Hand und zusammen halten sie den Dolch fest und stoßen mit aller Macht in die Flanke des Eisbrut-Wolfes. Ein letztes ersticktes Heulen und die Kälte lässt nach. Schon geht es weiter, die Kodan wirbeln mit ihren großen Hämmern umher und was nach dieser Attacke noch steht, fällt den Draufgängern in der Gruppe wenig später zum Opfer. Es sieht so aus, als wäre die Schlacht schneller beendet als gedacht, als es plötzlich einen ohrenbetäubenden Knall gibt. Einer der Zähne aus verdorbenem Eis, die den Eisdom bilden, wird von innen weg gesprengt und zum Vorschein kommt ein Verdorbener Champion Kodan. Gefolgt von der Nacht schreit auf. „NEIN, das kann nicht Reißende Welle sein!“ Praga legt ihre Hand auf die Schultern von Gefolgt von der Nacht. „Nein es ist nicht dein Sohn. Schau ihn dir genau an! Dieser Kodan ist voll ausgewachsen. Er will dich verwirren. Richte deinen ganzen Zorn auf ihn! Er steht für alles, was deinen Sohn getötet hat.“ Gefolgt von der Nacht nimmt ihren Hammer und Althea sieht in diesem Moment den Glanz in den Augen der Kodan. Es war ein kaltes, gefährliches Glitzern. Sie will töten! Gefolgt von der Nacht läuft los, ein Kodan-Kampflied auf den Lippen und die ganze Gruppe stürmt mit. Etwas im Kopf von Althea wird ausgeknipst. Sie hört das Lied und es gibt ihr Kraft, sie hört das Lied und fühlt sich mächtig, sie hört das Lied und vergisst alle Hemmungen. Der Dolch in ihrer Hand und ihr Körper sind eins. Hämmer, Stäbe, Großschwerter und ein Dolch, schlagen, prügeln und stoßen gleichzeitig auf und in den Körper des Champion Kodan. Dieser bleibt stehen, als sei er gegen eine Wand gelaufen. Seine Augen werden groß und er ruft: „Jormag hilf mir!“ Doch die Macht des Drachen verläßt ihn und so kippt er um und fällt in den Schnee. Die Gruppe kommt nach dem Kampf nur langsam wieder zu sich. Sie wachen auf, als ob sie in Trance gewesen wären. Praga setzt sich in Bewegung und hebt ihren Arm. „Dort entlang, wir müssen in den Dom.“ Wenig später finden sie die Leiche von Reißende Welle. Gefolgt von der Nacht setzt sich neben ihn und hält seine linke Pfote. Die rechte Pfote zeigt merkwürdig nach oben. Althea folgt dem Weg und sieht oben in einer Lücke zwischen den Zähnen ein Buch. „Dort“, ruft sie ganz aufgeregt, „das muss das Buch sein, das Kundrag gemeint hat.“ Gil nimmt seinen Bogen und schießt einen Pfeil in die Decke und zieht sich hoch, um das Buch zu holen. Als er wieder runter kommt, übergibt er Althea ein in Leder gebundenes Buch, in dem viele Seiten durch Feuchtigkeit schon unleserlich geworden sind. „Lass uns zurückgehen und zusammen in das Buch schauen“, meint Praga. Althea nickt nur und verstaut das Buch in ihrer Tasche. Als sie dem Dom den Rücken kehren, schließt sich die Lücke bei den Zähnen wieder. Es sieht so aus, als ob ein Raubtier wieder auf Beute lauert und wartet, wann es den nächsten schwachen Geist verführen kann.

Als die Gruppe wieder bei den Zelten oben am Berg ankommt, wird Reißende Welle als erstes aufgebahrt. Seine Zeremonie wird erst in der Nacht stattfinden. So bleibt Zeit genug, in das Buch zu schauen. Die Charr und die kleine Asura versammeln sich um das Lagerfeuer und Althea schlägt die ersten Seiten auf. Oft sind durch den Wasserschaden nur noch Bruchstücke zu erkennen. Manchmal ganze Sätze und manchmal auch ganze Seiten.



Tagebuch von Kundrag, dem stolzen Norn


Jahrzeit des Kolosses 302. Tag 1329 NE

Slaug…………...delle……………………………………...Merkwürdig

Jahrzeit des Kolosses 306. Tag 1329 NE

Beweis……...Leteos…………..Gefahr…………………Erde………………….Eratos

Jahrzeit des Kolosses 307. Tag 1329 NE

………………..warnen……………………..Gefahr……………...Leteos……...Tod…….

Jahrzeit des Kolosses 312. Tag 1329 NE

Ich bin ein Narr, ich hätte es erkennen müssen, doch ich war blind! Ninian und seine Habgier. Ich habe ihn gewarnt und ihn gleichzeitig um Hilfe gebeten, aber er will nicht hören.

Nach dieser Saison will er sich auf die Insel des Trauernden Steins zurückziehen und bei den Lautlosen leben.

Jahrzeit des Kolosses 313. Tag 1329 NE

Wir werden benutzt und Ninian ist es egal, solange er seinen Anteil an der Beute bekommt.

Ich versteh ihn nicht mehr. Ich hätte Slaug vertrauen sollen, aber …………………………..

Jahrzeit des Kolosses 314. Tag 1329 NE

Heute Abend werde ich Eratos zur Rede stellen. Ich hoffe, Ninian stellt sich auf meine Seite, sonst bin ich tot. Ob er weiß, was passiert, wenn er mir nicht hilft? Auch er hat etwas bei seiner Beute, was Eratos will. Ihr Geister der Wildnis, steht mir bei.

Damit endet der erkennbare Teil.


Slaug schaut in diesem Augenblick ziemlich nachdenklich von Einem zu Anderen. „Ich weiß, ihr wollt Antworten von mir, aber ich kann euch keine geben. Ihr habt selber gehört, Kundrag hat mir aus welchen Gründen auch immer nicht getraut.“ – „Wer oder was ist Leteos?“, fragt Althea. Slaug schüttelt den Kopf. „Den Namen höre ich das erste Mal.“ – „Was könnte Kundrag gemeint haben mit ‚Wir werden benutzt‘, und was bedeutet ‚auch er hat etwas, was Eratos will‘?“, fragt Praga weiter. „Ich weiß es nicht“, und das Bedauern in Slaugs Stimme klingt echt. „Ich weiß nur eines, Kundrag muss mit Ninian darüber gesprochen haben. Im Tagebuch steht ‚Ich habe ihn gewarnt und ihn gleichzeitig um Hilfe gebeten, aber er will nicht hören.‘ Das bedeutet, Ninian kann unsere Frage beantworten“, meint Slaug und Althea ruft sofort hinterher: „Wahrscheinlich hat er meine Chafia!“ – „Also gut, heute Nacht bestatten wir Reißende Welle, wie die Sitten der Kodan es vorschreiben. Danach reisen wir weiter. Weiß einer von euch, wo die Insel des Trauernden Steins ist?“ Alle verneinen, bis auf Grough. Der alte Charr zieht seine Lefzen hoch und grinst vergnügt vor sich hin. „Dort, wo das sprechende Gemüse seine ersten Schritte tut und mit weicher Rinde ausgestattet ist. Dort liegt unser Ziel. Wir müssen in den Caledon-Wald.“

Als die Sonne untergegangen ist und die beiden Monde Tyrias ihr fahles Licht auf den Berg scheinen lassen, steht die ganz Gruppe inklusive der beiden Kodan neben dem aufgebahrten Leichnam von Reißende Welle. Gefolgt von der Nacht erhebt das Wort: „Mein Herz war tot, weil mir mein geliebter Sohn genommen wurde. Mein Zorn auf Koda war riesig, aber ungerecht. Ich bin eine Mutter und mein Schmerz ist unbeschreiblich. Ihr habt mir geholfen, dafür danke ich euch. Teilt mit mir die Ehre. Jeder von euch soll sich einen brennenden Stab nehmen und gemeinsam zünden wir den Holzhaufen an, an dem mein Sohn seine Reise zu Koda beginnt.“ Wie Perlen an der Schnur, mit Gefolgt von der Nacht an der Spitze, gehen alle zum Lagerfeuer und nehmen sich einen der brennenden Stäbe. Dann schaut die Kodan Athea an. „Dich, kleine Asura, bitte ich, den Anfang zu machen.“ – „Warum?“, fragt Althea verwirrt. „Ich spüre deinen Zorn. Er tobt in dir, genauso wie er in mir getobt hat. Nimm den brennenden Stab und lege deinen ganzen Zorn hinein und lass ihn verbrennen.“ Althea nimmt den Stab und spürt die Hitze an der Hand. „So wie du die Hitze des Feuers spürst, welches dich mit all seiner Macht verbrennen will, so will dein Zorn dich vernichten. Lass deinen Zorn gegen das Feuer antreten und schüre das Feuer in dem Holzstapel, damit es lichterloh brennt. Nur so findet mein Sohn seinen Weg zu Koda und du einen Teil deines Friedens.“ Althea versteht es nicht bewusst, aber sie macht, was die alte Kodan ihr sagt. Mit aller Kraft schiebt sie ihren brennenden Stab immer wieder in den Holzstapel und entfacht das Feuer. Je öfter sie es macht, desto leichter wird ihr, und als der Stab bricht, zerbricht auch endgültig der Zorn in ihr.

Das kleine Asura-Mädchen bemerkt schon nicht mehr, dass die anderen ihre Stäbe nur kurz an den Holzscheit dran halten können, da es lichterloh brennt und der Wind den Rest scheinbar schnell erledigen will. Am Ende des Rituals verlässt Gefolgt von der Nacht die Gruppe. Althea will grade nachfragen, wo sie hingehen will, als Praga ihr die Hand auf die Schulter legt und nur den Kopf schüttelt. „Es ist Zeit zu gehen, auch für Gefolgt von der Nacht.“ Althea versteht und fängt an zu weinen.

Am nächsten Morgen, die wenigen Habseligkeiten sind gepackt, zieht die kleine Gruppe weiter Richtung Westen. Althea bemerkt sehr schnell, dass die Kälte die hier in den Schauflerschreck-Klippen herrscht, eine andere als im Eisklamm-Sund ist. Immer noch kalt, jedoch nicht so schneidend und beißend. Trotzdem wünscht sie sich sehr, dieses Gebiet aus Eis und Schnee endlich hinter sich lassen zu können. Gegen Mittag erreicht die Gruppe das Soderhem-Gehöft. Hier, unter gastfreundlichen Norn, legt die Gruppe eine Pause ein. Es wird gegessen, getrunken und gelacht und als die Sonne bereits untergeht, zieht die Gruppe trotzdem noch weiter. Vorbei an Eiszähnen, die denen am Svanir-Dom sehr ähnlich sehen, geht es weiter nach Westen. Unterwegs treffen sie ab und zu verwunderte Norn, die auf der Jagd sind. Sie helfen, wenn sie können, ziehen dann aber auch weiter. Kurz vor Mitternacht erreichen sie dann endlich ihr nächstes Etappenziel, Durgas-Gehöft. Nach dem das Finanzielle geklärt ist, essen sie noch und probieren die Bierspezialitäten aus Durgas Fässern, bevor sie anschließend müde in warme, weiche Betten fallen. Es ist eine der seltenen Nächte, in denen Althea keine Albträume hat. Dafür glaubt sie, im Traum Reißende Welle zu sehen, wie er neben Koda steht und ihr glücklich zuwinkt.

Obwohl der eine oder andere aus der Gruppe vom Bier des gestrigen Abends noch Kopfschmerzen hat, packen sie ihre Sachen und marschieren weiter. Allen ist klar, dass die Zeit drängt. So laufen sie weiter Richtung Süden, wobei Grough immer darauf achtet, einem weiteren Svanir-Dom, der rechts auf ihrem Weg liegt, nicht zu nahe zu kommen. Als dieser endlich hinten am Horizont verschwindet, geht es weiter in Richtung Westen und als die Mittagssonne am höchsten steht, erreichen sie das Podaga-Gehöft. Es ist seltsam für Althea zu sehen, dass hier nicht nur Norn sind, sondern auch Menschen mit ihren Kindern, Charr und sogar ein Asura. Während die anderen die Vorräte auffüllen, nutzte Althea die Möglichkeit mit dem Asura zu sprechen. Dabei erfährt sie, dass er ein wandernder Handwerksgeselle ist, der durch die Welt zieht und anderen bei ihren Arbeiten hilft. Natürlich verbunden mit dem einen oder anderen Hinweis, wie genial er als Asura dabei ist.

Grough taucht mitten im Gespräch neben Althea auf und meint: „Wir müssen weiter.“ So verabschiedet sich Althea noch kurz und schon stehen sie vor der Grenze. Ein leichter Luftzug und die Grenze zu den Gendarran-Feldern ist überwunden. „Vorsicht! Immer rechts an der Wand lang“, zischt Grough. Leise flüstert Althea: „Was ist los?“ – „Wir sind mitten im Gebiet der Wachsamen. Wenn sie Slaug sehen, werden sie ihn und uns gleich mit verhaften. Wir müssen jetzt ganz vorsichtig weiter.“ So schleicht die Gruppe leise und heimlich durch den Schnee. Alle Spuren, die sie hinterlassen, versuchen sie dabei so gut wie möglich zu verwischen. Stück für Stück kommen sie so vorwärts und nachdem sie eine Höhle durchquert haben, sehen sie zum ersten mal seit Tagen wieder grünes Gras. „Bort der Blutleere!“ – „Slaug Seelenreißer! Was treibt dich verlaustes Flohfell hier hin?“ Alle bleiben wie angewurzelt stehen, als Slaug auf den Norn, der rechts neben dem Höhlenausgang steht, zu rennt. „Das ist der Möchtegern-Pirat Bort der Blutleere“, erklärt Slaug darauf hin. „Wir kennen uns aus alten Zeiten, wo wir das eine oder andere Fass zusammen gelehrt haben.“ – „Oh ja, es war großartig, doch berichte, was bringt dich in so ein gefährliches Gebiet?“ – „Wir müssen weiter in den Caledon-Wald. Wir haben dort einen Auftrag zu erledigen.“ – „Dann pass auf, die Patrouillen der Wachsamen haben zugenommen. Sie scheinen nervös zu sein.“ – „Weißt du mehr?“ fragt Grough. „Nein, nur dass sie ihre Patrouillen verdoppelt haben. Geht weiter nach Westen, bis ihr zu den Nordfeldern kommt. Dann biegt nach Süden ab. Im Norden haben die Zentauren das Gebiet unter Kontrolle. Der Westen und der Süden gehört den Wachsamen. Deshalb rate ich euch, umgeht die Siedlung Ascalon südlich, dann kommt ihr zum Strand des schlechten Omens. Dort wird euch mein Freund, der Piratenkapitän Barnicus erwarten. Dort könnt ihr übernachten. Ich werde ihm gleich einen Raben schicken.“ Da schiebt sich Althea nach vorn. „Du bist für einen Piraten aber scheinbar verdammt nett. Warum tust du das?“ Der Norn fängt an, lauthals loszulachen. Das Gebrüll wird so laut, dass Althea sich sofort die Ohren zuhalten muss. „Bitte entschuldige, kleine Maus. Ich vergesse manchmal, wie empfindlich Asura-Ohren sind. Nun, dieses räudige Flohfell hat mir mehr als einmal das Leben gerettet. Ich gebe es ungern zu, aber der eine oder andere Sohn Svanirs hätte mir ohne seine Hilfe das Fell über die Ohren gezogen. Es ist nur eine Möglichkeit für mich, Danke zu sagen.“ Althea versteht und nach einer Verabschiedungsrunde zieht die Gruppe weiter, genau so wie Bort der Blutleere es ihnen vorgegeben hat. Nicht nur die Füße von Althea brennen, als sie endlich am Strand des schlechten Omens eintreffen. Kapitän Barnicus begrüßt sie kurz und brummig, weist ihnen Zelte zu und wenig später hört man nur noch wohlbekannte Schlafgeräusche.

Althea schläft noch tief und fest, als sie unsanft geweckt wird. Etwas Feuchtes und Kratziges fährt durch ihr Gesicht. „Ihhhhhh, igitt, bähh, was ist das?“ Althea öffnet ihre Augen und Slaug kniet vor ihr. „Guten Morgen, du Schlafmütze.“ – „Was, was hast du getan?“, fragt Althea. „Du wirst doch nicht … mit deiner Zunge …“ Slaug grinst nur und nickt. Da springt Althea auf „Du gemeiner Schuft, du! Na warte, wenn ich dich in die Finger bekomme.“ Gedankenschnell dreht Slaug sich um und verschwindet aus dem Zelt. Man hört noch sein Lachen und die Flüche aus Altheas Mund sind, nun, sagen wir mal so, nicht gerade damenhaft.

Nach einem ausführlichen Essen, zu dem sie von den Piraten eingeladen werden, zieht die Gruppe weiter und am späten Nachmittag überqueren sie die Grenze zu den Kessex-Hügeln. Kurz nach dem Übergang sträubt sich Slaugs Fell. „Was ist los?“, fragt Althea. „Ein sehr unsicheres Gebiet hier. Zentauren, Banditen, Krait, alles, was gefährlich ist, werden wir hier finden. Wir haben auf unseren Streifzügen dieses Gebiet, wann immer es möglich war, gemieden. Es macht Frauen zu Witwen und Kinder zu Waisen. Wir sollten uns hier nicht lange aufhalten.“ – „Dann lasst uns loslaufen. Je schneller wir im Caledon-Wald sind, desto schneller habe ich Chafia wieder!“ Hoffentlich …

Der Weg führt sie Richtung Süden ins Delanische Vorgebirge. Getarnt geht es weiter an der großen Festung vorbei bis zur Cereboth-Schlucht. An der Herrschaftsgebiet-Tötungszone entlang führt der Weg weiter zum Alkess-Vorsprung. Immer wieder müssen sie sich gegen Straßensperren von Banditen oder Ettins verteidigen. Einmal treffen sie sogar Zerstörer, was Althea arg beunruhigt, weil es sie an Primordus erinnert. Der Drache, der einst die Asura aus ihren Höhlen vertrieben hat. Endlich, am Ende des zweiten Tages ihrer Wanderschaft, erreichen sie das Ireko-Händlerlager. Auch hier erlebt Althea wieder die Lebendigkeit Tyrias. Zwei asurische Krus arbeiten hier genauso wie Sylvari und … Vögel? „Was sind das für Vögel, die hier Waffen tragen?“, fragt Althea. „Sie gehören zum Volk der Tengu“, berichtet Gil. „Die Legende erzählt, dass sie früher sehr häufig in ganz Tyria, Cantha und Elona anzutreffen waren. Doch wurden sie immer wieder vertrieben. Als Orr sich aus den Fluten wieder erhob, sahen die Tengu das als Zeichen an, aus allen Kontinenten zurück nach Tyria zu kommen. Dort bauten sie eine große Stadt mit einer riesigen Mauer. Nur Tengu dürfen die Stadt betreten. Sie sind ein vertriebenes Volk.“ – „Und was machen die Späher dann hier?“ – „Sie bieten sich als Beschützer für reisende Kaufleute an. So kommen sie an Informationen und Gold. Ein Tengu lebte mal für kurze Zeit bei uns im Gladium-Viertel in der Schwarzen Zitadelle. Deshalb kenne ich überhaupt die Geschichte.“ In diesem Moment stößt Slaug in die Runde dazu. „Ich habe Erkundigungen eingezogen. Die Sylvari wissen, dass Ninian Düsterwald im Caledon-Wald ist. Sie wissen nicht genau wo, aber die Hainhüter haben wohl den Auftrag, ihn zu verhaften.“ – „Was? Wie? Woher weißt du das?“, fragt Althea aufgeregt. „Der Tengu dort drüben“ und Slaug zeigt dabei auf einen stolz aussehenden Vogel, „hat es mir gegen etwas Gold verraten.“ – „Dann müssen wir los!“, ruft Althea. „Schnell! Wir müssen ihn kriegen, bevor die Hainhüter schneller sind.“ Eine Stunde später erreicht die Gruppe den Durchgang zum Caledon-Wald. Werden wir schnell genug sein?, fragt sich Althea die ganze Zeit in Gedanken, und werde ich endlich meine Chafia wieder in die Arme nehmen können? Dann überschreiten sie die Grenze.

Das erste, was Althea auffällt, ist die hohe Luftfeuchtigkeit. Die kleine Asura empfindet die Temperaturen als angenehm warm, aber die Luftfeuchtigkeit sorgt dafür, dass sie schnell ins Schwitzen kommt. „Grough, du weißt, wo wir lang müssen?“, fragt Praga. Der Angesprochene nickt. „Lange, sehr lange ist es her, dass ich das letzte Mal hier war. Ich hätte nicht gedacht, dies alles wiederzusehen. Wir müssen nach Westen in die Vogelbeerenwälder. Wir können nicht nach Süden, da dort ein großer Wachposten der Löwengarde steht. Da sie mit ständigen Angriffen von Krait rechnen, ist das Gebiet ständig unter Kontrolle einschließlich Enttarnungsfallen. Da kommen wir nicht durch.“ – „Was ist so schlimm am Weg nach Westen?“, fragt Althea. „Er ist nicht länger als der Südweg, aber gefährlicher. Als erstes werden wir auf die Dschungel-Raptoren aufpassen müssen. Gil, du übernimmst die linke Seite, zusammen mit Slaug. Ich werde die rechte Seite absichern. Praga, du bleibst mit Althea immer in der Mitte zwischen uns. Egal, was passiert, ihr geht weiter.“ Vorsichtig, Schritt für Schritt, läuft die Gruppe los. Jedes Knacken auf dem Boden ist verdächtig. Die Ohren der Charr bewegen sich wie ein Radar. Dann hört Althea es selbst, das erste Kreischen einen Raptors. Es klingt so schrill, dass sie selbst auf diese Entfernung glaubt, die Konfusion, die es verursacht, zu spüren. Schnell drückt Praga ihre Hand. Weiter, Schritt für Schritt. Plötzlich verschwindet Gil auf der linken Seite aus Altheas Blickfeld. „Weitergehen“, knurrt Praga. Da verschwindet auf der rechten Seite plötzlich auch Grough. Althea bekommt Panik und will losrennen, aber Praga hält sie eisern fest. An der linken Seite läuft Slaug ganz ruhig und entspannt weiter, so als ob überhaupt nichts los wäre. Wie macht er das?, fragt sich Althea in Gedanken, während ihr Herz immer schneller klopft. Da! Ein Schrei! Das war Grough. „Nicht stehen bleiben“, mahnt Praga wieder und zieht Althea weiter. Da kommt ein Raptor aus dem Gebüsch direkt auf Praga und Althea zu! Noch fünf Schritte und Althea schreit. Noch vier Schritte und der Mund des Raptors beginnt sich zu öffnen. Noch drei Schritte und Althea schließt die Augen und versucht sich die Ohren zu zuhalten, was aber nicht klappt, da Praga sie weiter in Richtung auf den Raptor zu zieht. Noch zwei Schritte und es herrscht Ruhe. Langsam und ganz vorsichtig öffnet Althea wieder ihre Augen. Der Kopf des Raptor liegt direkt vor ihren Füßen, der Körper zwei Schritte dahinter. Daneben steht Gil mit einem blutigen Schwert. Das ist dann auch das letzte was Althea sieht, bevor es schwarz vor ihren Augen wird.

Dem Stand der Sonne nach muss der Kampf etwa zwei Stunden her sein, als Althea wieder erwacht. Es schaukelt, als ob sie auf einem Schiff wäre, und es dauert einige Sekunden, bis sie versteht, dass Praga sie wieder auf dem Rücken trägt. „Ahhh unsere Prinzessin ist wach“, ruft Gil. „Bleib bitte liegen, Althea“, ruft Praga ihr zu. „Wir haben das Gebiet der Raptoren hinter uns gelassen und laufen gerade in Richtung Bergsuhlensumpf. Es lauern hier an allen Ecken und Enden Untote. Sobald wir das Falias-Dorf erreicht haben, lass ich dich wieder runter.“ Althea nickt nur, was Praga nicht sehen kann, aber die alte Charr sagt nichts weiter und die Gruppe läuft ihren selbst gewählten Weg weiter. Althea denkt an die Panik, die sie wegen des Raptors hatte, zwei Schritte vom Tod entfernt. Die blutige Klinge, wäre Gil nur eine Sekunden zu spät gekommen, ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Immer und immer wieder sieht die kleine Althea die Bilder vor sich, als sie endlich das Falias-Dorf erreichen.

Hauptmann Bren von den Hainhütern begrüßt die Gruppe. „Willkommen im Falias-Dorf, der vordersten Front der Hainhüter gegen die dunklen Mächte, die aus dem Bergsuhlensumpf kommen.“ – „Wir haben es selbst erlebt, Hauptmann. Wir wurden einige Male von Untoten angegriffen“, berichtet Slaug. „Wie ich sehe, wart ihr erfolgreich im Kampf, so lasst mich euch fragen, was euch ins Dorf führt.“ – „Wir bitten um Quartier für eine Nacht“, antwortet Praga. „Wir sind gewandert, haben gekämpft und jetzt sind wir rechtschaffen müde.“

„Ventari sagt, lasst ein Unrecht nie zu Bösem wachsen oder Leid. Ihr habt hier gegen die dunklen Mächte gekämpft und so ist es uns eine Freude, euch Quartier zu gewähren. Der dritte Baum links soll euer Platz zum schlafen sein.“ Praga bedankt sich im Namen der Gruppe und wenig später liegen alle sorgsam von einem Blatt, das sie warm hält, umhüllt in ihren Betten und schlafen.

Es ist eine ruhige Nacht, nur nicht für Althea. Die kleine Asura träumt. Sie steht an einem See und neben ihr sitzt ein anderer Asura im Gras. Es ist ein Junge, welcher ungefähr ihr Alter hat. Er lächelt und seine kleinen spitzen Zähne blitzen dabei im Sonnenlicht. „Wer bist du?“, fragt Althea. Doch der Junge antwortet nicht. Intensiv betrachtet Althea seine Ohren, die hin und her wackeln. Seine Augen blitzen vor Selbstbewusstsein. Grade als Athea einen Schritt auf den Asura-Jungen zu gehen will, passiert es. Ein Schatten, er schnappt sich den Jungen und rennt mit ihm weg! Althea schreit und will hinter dem Schatten herlaufen und wacht auf. Praga, Gil, Slaug und Grough stehen neben ihrem Bett. Der Schweiss läuft noch an Altheas Stirn herunter. „Was ist passiert?“, fragt Praga. „Ich habe geträumt und ich habe in dem Traum einen anderen Asura gesehen.“ – „Was ist dann passiert?“, fragt Praga weiter. „Ich habe versucht, ihn anzusprechen, aber er antwortete nicht und dann …“ – „Was ist dann passiert?“, fragt Praga wieder. „Dann kam ein Schatten und hat den Asura-Jungen entführt. Ich habe geschrien und dann bin ich aufgewacht.“ – „Also nur ein dummer Albtraum“, meint Slaug. „Nein, das war kein Albtraum“, mischt sich da plötzlich Grough ein. „Es gibt Berichte, wonach manche Besucher des Caledon-Waldes teile des Traumes der Sylvari mitbekommen.“ – „Das ist lächerlich“, kommt es sofort von Slaug. „Nein, ist es nicht. Ich weiss es, denn ich war selbst bei meinem ersten Besuch betroffen und auch ich habe heute Nacht geträumt.“ – „Und was hast du geträumt?“, fragt Praga in Richtung Grough. „Dass ich bald sterben werde. Ich werde das Gebiet der Sylvari nicht mehr lebend verlassen.“ Althea springt auf. „Nein, das kann nicht sein, wir haben beide nur blöde Albträume gehabt.“ Mit einem Satz springt sie auf Grough zu und klammert sich an ihm fest. „He“, meint Grough und lächelt Althea an, „noch ist es nicht soweit und glaub mir, ich werde bis zum letzten Atemzug kämpfen.“ So entscheiden sich alle den Rest der Nacht im selben Zimmer zu bleiben. Althea kuschelte sich nun bei Grough insFell ein, aber tiefen und festen Schlaf findet anschließend keiner mehr. Zu aufregend sind die Ereignisse gewesen.

Am nächsten Morgen stehen alle auf, als die Sonne gerade die ersten zaghaften Versuche macht, durch die Blätter zu scheinen. „Ich hoffe, die Hainhüter waren nicht schneller als wir“, meint Slaug zwischen zwei Bissen beim Frühstück. „Chafia, ich vermisse sie so sehr, ich will sie endlich wieder in meinen Armen halten.“ – „Wir werden alles dafür tun“, meint Praga darauf.

So packen sie ihre Sachen und verabschieden sich noch von den Hainhütern im Dorf, bevor sie zu ihrer Reise weiter Richtung Süden aufbrechen.

Ihr Weg führt sie über Cathal und die Ruinen der Ungesehenen, als sie kurz vor der Insel des Trauernden Steins nochmal eine Rast einlegen.

„Slaug, du wirst als erstes das Gebiet beobachten“, bestimmt Praga. „Ich will wissen, ob Ninian Düsterwald überhaupt da herumläuft und wie die Situation ist.“ Slaug verschwindet wie ein Schatten und die Anderen setzten sich um ein Feuer in der Nähe eines Busches. Nur Althea hüpft die ganze Zeit von einem Bein auf das andere. „Geduld“, mahnt Praga. Eine Stunde vergeht, eine Zweite folgt, doch Slaug kommt nicht wieder. Während die Anderen ihre Rüstung reparieren oder mit Essenmachen beschäftigt sind, verschwindet Althea still, heimlich und leise von der Gruppe. Ich kann nicht warten. Ich muss wissen, ob Chafia da ist!

So stürmt die kleine Asura los und taucht mitten auf der Insel des Trauernden Steins auf. Sie rennt auf den erstbesten Sylvari zu und ruft: „Wo ist Ninian Düsterwald?“ Doch der Sylvari blickt sie nur stumm an und sagt kein Ton. Schon springt Althea zum nächsten Sylvari. „Wo ist Ninian Düsterwald?“ Doch auch er blickt sie nur stumm an. Plötzlich kommt ein Stimme aus einem Baumhaus hervor. „Ich bin Ninian Düsterwald, was willst du von mir?“ Althea zieht ihren Dolch und stürmt auf die Stimme zu. „Wo ist Chafia?“ Da wird sie von hinten gepackt und ein großes Durcheinander entsteht vor ihren Augen. Vier, fünf, nein acht Sylvari tauchen plötzlich in ihrem Blickfeld auf. Hauptmann Brem von den Hainhütern ist einer von ihnen. „Ninian Düsterwald, ich verhafte dich im Namen des Blassen Baums. Du bist kein Lautloser und hast hier nur Unterschlupf gesucht, weil du wusstest, dass es das einzige Gebiet ohne Hainhüter ist. Dir wird vorgeworfen, als Mitglied des Albtraumhofs zahlreiche Sylvari ermordet zu haben. Des Weiteren werfen wir dir Diebstahl und Erpressung vor.“ – „Wo ist Chafia?“, ruft in diesem Moment Althea dazwischen. Hauptmann Brem schaut sie an und ruft dann: „Slaug Seelenreißer, du kannst ruhig hervorkommen und bring die Anderen mit.“

Wenig später ist die ganze Gruppe zusammen bei Hauptmann Brem. Nur Althea wird noch von einem Hainhüter festgehalten, da die kleine Asura wild herumtobt. „Wie habt ihr uns gefunden und vor allem, woher wisst ihr von Ninian Düsterwald“, fragt Slaug. „Nun, der Tengu, von dem ihr eure Informationen gekauft habt, hat auch uns mit Informationen versorgt. Da ich wusste, wen ihr sucht, habe ich mich entschlossen, euch zu verfolgen. Keine Sorge, Slaug Seelenreißer, wir wissen, zu welcher Gruppe Düsterwald und Ihr gehört habt. Da wir aber keine Anfrage von den Charr vorliegen haben, habt Ihr im Caledon-Wald freies Geleit. Nun zu dir Althea, wenn du aufhörst zu toben, habe ich etwas für dich.“ Langsam beruhigt sich Althea und plötzlich sieht sie Chafia! Mit einem Satz, schneller als jeder Gedanke, ist Althea bei Hauptmann Brem und reißt ihm Chafia aus der Hand. „Endlich habe ich dich wieder! Ich habe dich so vermisst!“ Schluchzend geht Althea in die Knie und hält Chafia fest, so sehr wie sie nur kann. Das kleine Asura-Mädchen ist in diesem Augenblick glücklich. Glücklich, weil ihr Kampf erfolgreich war, glücklich, weil sie neue Freunde getroffen hat, aber auch glücklich, weil die Gerechtigkeit, das Gute über das Böse gesiegt hat.

Stunden sitzt Althea so da, als Hauptmann Brem wieder zu ihr kommt. „Althea, wir brauchen dich. Der Blasse Baum braucht dich.“ – „Was? Wofür?“ Althea ist im Augenblick noch verwirrt, weil sie viel zu glücklich darüber ist, Chafia wiederzuhaben. „Der Blasse Baum hat gemerkt, dass du einen Traum geteilt hast. Dein Geist hat Zugang zu Ventari gefunden. Es wird eine Gerichtsverhandlung geben und der Blasse Baum möchte eure Geschichte hören, um anschließend ein Urteil fällen zu können. Der Mutterbaum vertraut euch!“ – „Ich bin müde. Die Reise, die Kämpfe, ich kann nicht mehr“, kommt es leise von Althea. „Bitte Althea, der Blasse Baum ist nahe. Einen halben Tagesmarsch und wir sind im Hain. Nach der Verhandlung, kannst du über ein Tor nach Löwenstein reisen und von dort aus direkt nach Rata Sum. Dann bist du innerhalb einer Stunde zu Hause.“ Althea nickt nur, als Slaug, Gil, Grough und auch Praga zu ihr kommen. „Werdet ihr mitkommen in den Hain?“, fragt Althea. „Die Zeit der Trennung ist noch nicht gekommen, Althea“ antwortet Praga, „wir werden dich begleiten.“

So startet die Gruppe wenig später weiter Richtung Süden. Am Sandbuchtstrand vorbei, geht es weiter runter zum Dorf Astorea. Was Althea auffällt, ist der dichte Bewuchs an Bäumen und Pflanzen. Dazu kommt die Wärme und die hohe Luftfeuchtigkeit. Klar, in Desider Atum in der Provinz Metrica gibt es auch viele Pflanzen, aber das hier, das war noch mal ein ganz anderes Kaliber. Wie versprochen kommen sie gegen Abend am Durchgang zum Hain an. Alle staunen über die Wurzeln, die mächtiger sind als alles, was sie bisher gesehen haben. Die Äste sind dicker als jede Wand eines Gebäudes in Rata Sum.

Es wirkt ehrfurchtgebietend, aber auch absolut sicher. Egal, wie groß eine Gefahr auch ist, dieses Wunder der Natur würde es überstehen. Als sie die Grenze zum Hain passieren, ist Althea überrascht. Irgendwie hatte sie erwartet, hier nur Sylvari vorzufinden, aber der erste, der ihr begegnet, ist ein Norn. In Begleitung von zwei Sylvari passiert auch er die Grenze, aber in Richtung des Caledon-Waldes. Ein Duft liegt in der Luft. Süßlich, aber nicht aufdringlich. „Bitte kommt weiter. Ich weiß, ihr seid müde von eurer langen Reise. Wir nehmen einen Transport per Blattschweber, runter zu den Wurzeln. Dort, bestens geschützt, liegen unsere Wohnbäume. Die Terrasse des Träumers steht euch extra zur Verfügung.

Dort könnt ihr euch waschen und jeder bekommt einen extra Baumstrang mit Blüte wo ihr sicher und in Ruhe schlafen könnt.“ – „Wann ist die Gerichtsverhandlung?“, fragt Althea. „Wir werden euch morgen um 10 Uhr abholen. „Euch?“, kommt sofort die knurrende Frage von Slaug. Hauptmann Brem schaut den Charr an und sagt: „Slaug Seelenreißer, der Blasse Baum hat euch durch mich freies Geleit garantiert. Das Wort unseres Mutterbaums steht über allem.“ Damit wendet sich der Hauptmann ab und lässt die Gruppe alleine. „Ich glaube, wir sind hier sicher“, meint Slaug. „Althea, was hast du?“, fragt Grough. Das kleine Asura-Mädchen setzt sich auf einen Stuhl und weint. „Ich bin glücklich und gleichzeitig traurig und ich habe Angst.“ – „Was macht dir denn Angst, Kleines?“, fragt Praga. „Der Hauptmann hat gesagt, dass ich Zugang zu Ventari habe und im Traum etwas gesehen habe. Grough hat auch geträumt und ich will nicht, dass er stirbt. Da ist auch noch der Asura-Junge der plötzlich vor meinen Augen verschwunden ist. Was bedeutet das? Aber das Schlimmste ist, ich liebe Mama und Papa und ich vermisse die beiden, aber ich will euch nicht verlassen. Der Gedanke tut mir weh und ich will einfach nicht weg von euch, aber gleichzeitig will ich auch Mama und Papa wiedersehen.“ In diesem Moment bilden alle einen engen Kreis um Althea und Grough sagt: „Kleine Althea, wenn ich jemals eine Tochter gehabt hätte, dann hätte ich mir gewünscht, sie wäre so wie du gewesen. Stark, mutig und voller Selbstbewusstsein. Wir werden immer in Gedanken und im Herzen bei dir sein, selbst wenn wir wieder im Gladium-Viertel in der Schwarzen Zitadelle sind und du Zuhause in der Provinz Metrica. Wir werden uns abwechselnd schreiben und wenn du Ferien hast, werden wir uns gegenseitig besuchen. Wenn mich bald der Tod ereilen sollte, so ist es vorherbestimmt und ich werde in den Nebeln weiterkämpfen, bis eure Zeit gekommen ist, um mich im Kampf zu unterstützen. Aber bis dahin werde ich mein Fell so teuer wie möglich verkaufen. Und jetzt sei nicht mehr traurig und gib dem alten Griesgram einen Kuss auf die Schnauze und dann ab ins Bett.“ Althea springt auf, gibt Grough einen Kuss und läuft dann eine Etage höher zu ihrer Blüte. Die Tränen in den Augen von Grough sieht Althea schon nicht mehr.

In der Nacht kommen die Träume zu Althea zurück. Diesmal läuft sie durch einen Wald. Es ist dunkel und ein kalter Luftzug kommt ihr entgegen. Da sieht sie auf der rechten Seite ganz schwach etwas liegen. Langsam und vorsichtig geht sie auf das Etwas zu. Es wimmert und liegt zusammengekauert neben einem Baum. „Es tut so weh“, hört sie das Etwas jammern. Dann sieht sie es. Es ist der Asura-Junge, den sie schon im ersten Traum gesehen hat. Dann dreht er plötzlich den Kopf und Althea sieht in seine Augen. Angst, Schmerz und Hoffnung. „Ich bin Leteos, bitte hilf mir!“ In diesem Moment erscheint ein schwarzer Schatten und nimmt den Asura-Jungen einfach mit. Althea schreit noch und will hinterher, aber in diesem Moment wacht sie wieder auf.

Ihr Herz rasst und sie schwitzt am ganzen Körper, aber diesmal liegt sie allein in ihrem Zimmer, nur Chafia liegt eng an sie gekuschelt bei ihr. Ihre Gedanken springen hin und her. Wer ist dieser Asura-Junge? Was passiert mit ihm? Wie hieß er noch? Leteos? Moment, war da nicht was mit Leteos in dem Buch von Kundrag? Althea braucht ein paar Sekunden, um die Gedanken zu ordnen. Der Name tauchte in Verbindung mit Gefahr im Buch von Kundrag auf, erinnert sich die kleine Asura langsam. Handelt es sich hier um den gleichen Leteos oder ist das nur Zufall? Aber welche Gefahr sollte schon dieser kleine Asura-Junge darstellen und außerdem hat er mich in dem Traum gerade um Hilfe gebeten. An dieser Stelle verliert Althea den Faden in ihren Gedanken. Ihre Augen werden schwer und sie schläft wieder ein. Diesmal aber fest und traumlos.

Am nächsten Morgen, als Althea aufwacht, versucht sie immer noch die Gedanken ihres Traumes zu ordnen. Als sie sich unter das Duschblatt stellt, von dem warme Wassertropfen auf sie herunterfallen, hört sie das Pfeifen eines Vogels, das Besuch ankündigt. Es steht jemand vor ihrer Blüte und begehrt Einlass. Schnell trocknet sich dass kleine Asura-Mädchen ab, springt in ihre Kleidung und läuft Richtung Tür. „Guten Morgen Althea“, sagt Hauptmann Brem. „Bitte entschuldige die frühe Störung. Der Blasse Baum bittet dich vor der Gerichtsverhandlung zu einem privaten Gespräch. Kannst du gleich mitkommen?“ – „Ich habe noch nichts gegessen.“ – „Das weiß die Mutter“, kommt als Antwort. „Keine Sorge, du gehst nicht alleine. Grough wurde auch gerufen und eine Tafel mit Essen wurde bereits aufgestellt.“ – „Ich weiß nicht“, zögert Althea das Ganze heraus. „Bitte, die Mutter hat mir gesagt, sie will mit dir über Leteos sprechen.“ In diesem Moment ist Althea hellwach. „Na los, worauf warten wir noch!“ Unten am Fuße des Eingangs zur Terrasse des Träumers wartet Grough schon auf sie. Grough schaut sie nur kurz an und meint: „Du auch?“ Althea nickt und so machen sie sich auf den Weg mit dem Blattschweber nach oben. Als sie in den oberen Distrikten ankommen, müssen sie den Schweber wechseln. „Die Omphalos-Kammer ist der höchste Punkt im Baum. Dort residiert der Avatar des Blassen Baums. Nur über diesen Blattschweber kommen wir zur Mutter.“ So betreten alle drei die Kabine und schon werden sie weiter nach oben transportiert. Als Althea oben ankommt, werden ihre Blicke wie magisch von der Tafel angezogen, die wenige Meter vor ihr in der Luft schwebt. „Das ist Ventaris Tafel“, erklärt Brem. „Sie hilft uns mit ihrer Weisheit, die Ventari für uns hinterlassen hat. Ihr kennt die Geschichte von Ronan und Ventari?“, fragt der Hauptmann an Althea und Grough gewand. Beide schütteln den Kopf. Grade als der Hauptmann ansetzt, um die Geschichte zu erzählen, hören sie die Stimme vom Blassen Baum. „Ich werde die Geschichte erzählen, mein Sohn, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Bitte, lass uns jetzt allein. Ich möchte mit Althea und Grough alleine sprechen.“ Der Hauptmann zieht sich zurück. „Bitte, kommt näher und setzt euch zu mir. Esst bitte, ihr seid hungrig.“ So setzten sich Althea und Grough an den Tisch und fangen an zu essen, während der Avatar des Blassen Baums sich vor ihnen hin setzt. „Ich habe euch beide zu mir gerufen, weil ich gefühlt habe, dass etwas in den Traum eingedrungen ist. Ich konnte es erst nicht verstehen, bis ich merkte, dass ihr beiden Teil des Traums geworden seid. Ihr seht Dinge der Zukunft. Dinge die nicht uns Sylvari betreffen, sondern die Menschen und ihre Götter. Doch die Ereignisse, die sich dort entwickeln, haben Auswirkungen bis in den Traum. Es geht um das Wintertagsfest der Menschen. Zwei Götter kämpfen gegeneinander und alle Völker Tyrias sind daran beteiligt. Doch nur ein kleiner Junge kann das Wintertagsfest der Menschen retten.“ – „Leteos“, kommt es da aus dem Mund von Althea. Grough schaut Althea nur verständnislos an, während der Avatar des Blassen Baums nickt. „Du hast ihn gefunden?“, fragt der Avatar. „Zweimal habe ich ihn im Traum gesehen. Er hat um Hilfe gerufen, doch jedes Mal wenn ich zu ihm wollte, kam ein dunkler Schatten und nahm ihn mit.“ – „Ich glaube, dass wir nach der Gerichtsverhandlung mehr wissen werden“, antwortet der Avatar. „Moment“, ruft da Grough. „Du sagtest, zwei Götter der Menschen kämpfen. Welche Götter kämpfen und worum?“ – „Auf der einen Seite“, so erklärt der Avatar, „steht Dwayna, die Göttin des Lebens, die Liebe und Freude in die Herzen der Menschen zum Wintertag säen will. Auf der anderen Seite steht Grenth, der Gott des Todes. Er will Furcht in die Herzen der Menschen säen.“ – „Aber warum Furcht?“, fragt Althea. „Grenth sagt, wenn die Menschen ihn nicht fürchten, verlieren sie den Glauben an ihn. Nur wer Angst hat, zollt ihm Respekt und stärkt seinen Glauben an ihn, in dem er an seinen Schreinen betet. Dwayna sagt, nur die Liebe in den Herzen der Menschen vermag den Streit zu überwinden, der Hass und Kriege auslöst.“ – „Und was hat Leteos damit zu tun?“, fragt Althea. „Das kann ich dir im Augenblick nicht beantworten“, kommt vom Avatar. „Ich hoffe, dass Ninian Düsterwald

uns hier einiges erklären kann.“ – „Und was willst du von mir?“, fragt Grough, grade als er in ein saftiges Hühnchen rein beisst. Der Avatar schaut Grough traurig an. „Du hast deinen Tod gesehen. Es wird bald soweit sein, aber ich sehe, dass eine Träne das Licht zum Vorschein bringt. Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber mit deinem Tod ist etwas Besonderes verbunden.“ – „Nein, Grough, du darfst nicht sterben“, ruft da Althea. „Kleines, wir haben doch schon gestern gesprochen, ich werde mein Fell so teuer wie möglich verkaufen und bis dahin nehme ich noch eines von diesen Hühnchen, die sind echt saftig.“ Der Avatar des Blassen Baums beginnt, die Geschichte von Ronan und Ventari zu erzählen. An deren Ende verabschieden sich die beiden und kehren zurück zu ihren Freunden, die schon sehnsüchtig auf sie warten, um zu hören, was in der Zwischenzeit passiert ist. Die Verhandlung ist auf den Nachmittag angesetzt und Althea ist schon ganz unruhig, als endlich Hauptmann Brem kommt, um sie abzuholen. Diesmal gehen sie alle zusammen in den Blattschweber, der sie in die Omphalos-Kammer bringt.

„Merkwürdig“, wundert sich Gil. „Entweder sind Gerichtsverhandlungen bei Sylvari ganz anders als bei uns, oder es fehlen hier ein paar Mitspieler“. Althea wendet sich an Hauptmann Brem. „Wo sind die Zeugen, wo ist der Hüter der Gesetze, der Anklage erhebt? Wo ist der Taktiker der Verteidigung? Und wer ist der Magister, der das Urteil spricht?“ Hauptmann Brem schaut die Gruppe fragend an. „Wie kommt ihr darauf? So etwas brauchen wir nicht.“ Da kommt der Avatar des Blassen Baumes auf sie zu. „Bitte, kommt mit mir. Ich sehe, ihr habt Fragen und ihr verdient Antworten. Hauptmann Brem, holt Ninian Düsterwald.“ Während der Hauptmann wieder nach unten entschwindet, setzen sich Althea, Praga, Gil, Grough und Slaug im Kreis zusammen hin. „Wir Sylvari halten keine Gerichtsverhandlung wie die Menschen es kennen. Es gibt für mich die Möglichkeit 24 Sylvari auszusuchen, die mit mir zusammen direkt in die Gedanken und Erinnerungen desjenigen hineinschauen, gegen den Anklage erhoben wurde. In selten Fällen wie diesem, werde es nur 22 Sylvari sein. Grough und du, Althea, ihr werdet mit dabei sein.“ – „Aber warum wir?“, fragt Grough. „Ihr habt den Traum geteilt, ihr seid mit Ventari verbunden und nur dadurch kann ich euch mitnehmen.“ – „Und was machen wir in der Zwischenzeit?“, fragt Praga. Der Avatar schaut sie lange an. „Du bist eine Mutter wie ich. Du hast alles für dein Kind getan und jetzt bitte ich dich, pass auf diese Gruppe auf, während wir in die Welt von Ninian Düsterwald eintauchen.“ – „Aber warum? Du hast genug Sylvari hier, die die Aufgabe übernehmen können“, fragt Praga. „Nein, nichts darf mich ablenken. Alle 22 Sylvari werden unten in ihren Blüten bleiben, während ich Kontakt zu ihnen aufnehme. Althea und Grough brauche ich bei mir, um sie trotz ihrer Verbundenheit zum Traum, zu integrieren. Sollte ich einen Fehler machen und die Kontrolle verlieren, müsst ihr Ninian Düsterwald aufhalten.“ In diesem Moment kommt Ninian Düsterwald zusammen mit Hauptmann Brem im Blattschweber an. Er zerrt an den Fesseln und murmelt die ganze Zeit, scheinbar sinnlose Worte vor sich hin. Der Sylvari-Hauptmann platziert Ninian Düsterwald im Kreis der Anderen und zieht sich dann zurück. Die Augen des Avatars blitzen kurz auf und Ninian fängt an, sich zu beruhigen. „Die Verbindung beginnt“, hören sie alle noch vom Baum, als die Köpfe von Althea und Grough plötzlich nach vorne fallen.

Dunkelheit ist der Sinn meines Lebens. Die Lust, Schmerz zu verbreiten, mein Verlangen. Liebe durch ewige Qual zu ersetzen mein Ziel. Ich bin das Gegenstück zum Traum, der meine Sylvari-Brüder vergiftet. Der Traum nimmt ihnen ihre Stärke. Der Traum schränkt sie ein. Der Albtraum entfesselt sie und zeigt das wahre Potential, was in ihnen steckt. Keine Rücksicht, nur das Ziel zählt. Ich bin der Ritter des Düsterwalds! Was ist das? Diese Stimme in meinem Kopf? Sie versucht mich zu beherrschen! Sie ist dem Albtraum ähnlich, aber sie will uns versklaven, genauso wie der Traum. Wir sollen dem Dschungeldrachen gehorchen. Die Tyrannei des Blassen Baums gegen die Tyrannei von Mordremoth tauschen.

Wir sind der Albtraumhof. Wir unterwerfen uns niemanden! Was passiert? Was macht diese Abscheulichkeit mit mir? Warum stecke ich in einem Rankengefäß? Was passiert mit mir? Diese Ranken schieben sich in mich hinein. Sie verändern etwas an mir. Nein, ich will das nicht! Ich kann mich nicht wehren. Etwas passiert mit mir. Ich verliere den Kontakt zum Albtraum. Nein, ich will das nicht. Ich werde müde, so müde. Da, ein Mensch steht neben mir. Er nennt sich Eratos Mento. „Ich habe dich befreit, bevor das Rankengefäß seine Aufgabe beenden konnte. Doch meine Hilfe hat einen Preis. Ich stelle eine Gruppe zusammen, die verschiedene Aufgaben für mich erledigen soll. Du stellst keine Fragen und erledigst drei Aufgaben für mich. Danach bist du frei zu tun, was du willst. Ich suche einen Jungen vom Volk der Asura. Er nennt sich Leteos. Wir suchen ihn gemeinsam. Setze dafür an Qual und Grausamkeit ein, was notwendig ist.“ – „Und wenn ich es nicht mag, dein Leibeigener zu sein?“ – „Dann bist du in fünf Minuten wieder im Rankengefäß und ich lasse vollenden, was unterbrochen wurde.“ – „Wo fange ich an zu suchen?“ – „Unser Ziel ist die Provinz Metrica. Aber da wir Geld brauchen, werden wir reiche Familien plündern und Beute machen. Unterwegs werden wir die Gruppe vergrößern. Ich habe da schon zwei im Auge.“ Als unsere Reise beginnt, verbreiteten wir Qual als Belohnung für Informationen. Der Tod bringt keinen Segen, weil der Albtraum damit nicht direkt genährt werden kann. Trotzdem wird meine Klinge oft blutig, denn ich stelle fest, die schönste Qual ist die, die aus Liebe geboren wird, wenn der andere seinen Partner verliert. Der Albtraum erhält reiche Beute und auch materiell geht es uns gut. Ein Norn und ein Charr kommen in unsere Gruppe. Ich traue beiden nicht, was Eratos Mento egal ist. Er ist wie besessen von seinem Ziel, diesen Asura Jungen zu finden. Als wir endlich in Metrica ankommen, stellt Eratos fest, dass der Junge nicht hier ist. Voller Zorn tötet er wahllos zwei Asura, die bei ihm vorbeikommen. Die nächste Spur führt uns in die Schauflerschreck-Klippen. Moment! Ich bin nicht alleine! Jemand versucht mich zu beeinflussen! Etwas ist in meinem Kopf! Es übt Druck aus. Ich soll es nicht bemerken. Ich soll in Gedanken weiter erzählen. Nein! Ich muss aufwachen! Der Albtraum ist stark!

In diesem Moment reißt Ninian Düsterwald die Augen auf. Er sieht den Avatar vom Blassen Baum und schnappt sich von Groughs Gürtel einen Dolch. Mit vollem Körpereinsatz springt er auf den Avatar zu, doch Grough ist schneller und springt dazwischen. Die Klinge, die den Avatar treffen soll, trifft direkt das Herz von Grough Herzlos. Da ist Praga zur Stelle und schnappt sich Ninian Düsterwald und hält ihn fest. Althea schreit auf und springt zu Grough. Mit Tränen in den Augen fragt sie: „Warum, du blöde Miezekatze?“, und Grough antwortet mit versagender Stimme: „Weil Wintertag wichtig ist und du es retten wirst.“ Mit diesen Worten, schließen sich Groughs Augen. In diesem Moment spricht der Avatar des Blassen Baums. „Das Urteil ist gesprochen, Ninian Düsterwald. Wir Sylvari verurteilen dich zur Rückkehr in den Traum. Die Blüte der Rückkehr wird dich aufnehmen und innerhalb eines Tages soweit verjüngen, dass du wieder als reines Bewusstsein in den Traum eingepflanzt werden kannst. Nach einiger Zeit wirst du wiedergeboren werden, als ein neues Kind von mir. Du wirst wachsen, lernen und neue, positive Ziele verfolgen.“ Ninian Düsterwald schreit auf. „Nein! Tötet mich! Nein, das ist schlimmer als alles, was ich Anderen je getan habe.“ Als Hauptmann Brem den Sylvari abholt, wird das Klagen immer leiser, bis es endgültig verstummt ist. „Ich trauere mit euch um euren Gefährten“, spricht der Avatar des Baumes. „Es war seine Wylde Jagd, mich zu retten. Trotzdem sehe ich das Unrecht, was ihm angetan wurde. Wir werden seinen toten Körper sicher aufbewahren, bis eure Mission beendet ist.“ „Welche Mission?!“, schreit Althea den Avatar an. „Grough ist tot!“ Da kommt Praga auf sie zu, kniet sich neben ihr hin und sagt: „Erinnere dich an seine letzten Worte. Er will, dass du das Wintertagsfest rettest. Deine Aufgabe ist es, Leteos zu finden und zu retten. Gemeinsam werden wir den Menschen Eratos Mento finden und ein gerechtes Urteil fällen. Wir alle brauchen dich jetzt Althea. Bitte sei stark. Stark für Grough, uns, deine Familie die dich unterstützt auf deinem Weg und für das Wintertagsfest aller Völker Tyrias.“

Zu viel! Ich will nicht mehr. Warum versteht mich keiner? Chafia, bitte hilf mir. Ich will nur noch mit dir nach Hause. Ich will zu Mama und Papa. Die Tränen der kleinen Althea fallen auf Chafia und perlen an ihr hinunter. Sie drückt ihren Teddy so fest wie nie zuvor, doch diesmal antwortet Chafia nicht. Alles Flehen und Hoffen, dass der Teddy ihr eine Antwort gibt,erfüllt sich diesmal nicht. So weint Althea hemmungslos weiter. Dabei bemerkt sie nicht, dass sie beobachtet wird. Es wird kälter, aber das ist gerade unwichtig für Althea. Sie spürt es nicht. Dieses Etwas oder jemand will nicht gesehen werden und doch kann es die Aura der Kälte nicht ganz unterdrücken. Ganz still, heimlich und leise sendet es Botschaften an Altheas Unterbewusstsein. Immer und immer wieder spielt er ihr Groughs Tod vor. Wie ein Video, das auf Wiederholung steht und mit jedem Vorspielen, wird Althea trauriger, verzweifelter und verliert weiter an Selbstbewusstsein. Ich will nach Hause. Bitte lasst mich alle in Ruhe. In diesem Moment zieht sich das Etwas zurück. Seine Mission ist erfüllt. Die einzige Chance auf die Rettung des Wintertags hat aufgegeben.

Althea schläft ein. Wenn ein stiller Beobachter in ihrer Blüte wäre, so würde er gerade sehen, wie das kleine Asura-Mädchen, wild mit den Armen und den Beinen strampelt. Sie schlägt nach Schatten und dunklen Gedanken. Althea träumt wieder.

„Althea! Althea! Ich bin es Grough! Ich bin Tod und in den Nebeln, aber Dwayna, die Göttin der Menschen, hilft mir über den Traum der Sylvari Kontakt mit dir aufzunehmen. Grenth hat die Regeln verletzt, indem er den 7. Schnitter benutzt hat, um dich zu verwirren. Bitte Althea, hör mir nur zu und vertrau mir! Grenth, der Gott des Todes, will unbedingt verhindern, dass das Wintertagfest Liebe, gegenseitigen Respekt und Fröhlichkeit in die Herzen der Menschen bringt. Jedes Jahr kämpfen die beiden Götter gegeneinander und jedes Jahr gewinnt nach einem harten Kampf Dwayna. Am Ende des Wintertagfestes, sammelt Dwayna dann einen Teil der Liebe, Freude und Herzlichkeit ein und versteckt diese, um im nächsten Jahr für den Kampf gegen Grenth gerüstet zu sein. Diese Wolke aus positiver Energie versteckt Dwayna in einem Lebewesen und wenn die Tage des Kampfes wiederkehren, entnimmt Dwayna diesem Lebewesen die Energie wieder – von all dem spürt das betroffene Lebewesen allerdings nichts. Doch diesmal ist alles anders. Jemand hat Grenth verraten, wer das Gefäß für Dwaynas positive Energie ist. Du ahnst es schon, es ist der kleine Asura-Junge Leteos. Ich bitte dich um zwei Sachen, Althea. Lasse meinen Tod nicht umsonst gewesen sein, rette den Wintertag und vergib Praga. Ich weiß, dass du sie in deinem Schmerz und deiner Traurigkeit für alles verantwortlich machst. Sie sollte aufpassen auf uns und konnte doch nicht reagieren. Althea, es war vorherbestimmt. Sie trifft keine Schuld und jetzt muss ich gehen. Dwayna, die Göttin der Menschen, wird dich beobachten und hoffen. Bitte Althea …“ Die restlichen Worte sind nicht mehr zu verstehen. Grough ist immer leiser geworden und als es in ihrem Traum still wird, kehren die bösen Gedanken von zuvor auch nicht mehr zurück.

Das Zwitschern eines Vogels weckt Althea und kündigt Besuch an. Das kleine Asura-Mädchen zieht sich etwas über und lässt die Blüte einen Spalt weit öffnen. Es ist Praga, die Einlass begehrt. Althea öffnet einen größeren Teil der Blüte und Praga tritt stumm ein. Ihrem Gesicht nach zu urteilen hat sie die letzte Nacht nicht geschlafen. „Es tut mir leid. Ich konnte es nicht verhindern.“ Wortlos dreht Althea sich um und geht weg. „Althea bitte, wir trauern beide um Grough. Lass mich nicht alleine trauern.“ Da kommt Althea zurück und hält Chafia in der Hand. „Immer wenn ich traurig bin, ist Chafia bei mir. Sie tröstet mich einfach durch ihre Anwesenheit. Sie gibt mir Liebe, sie kuschelt mit mir, wenn ich einsam bin, und sie schenkt mir Trost. Jetzt soll sie auch dich trösten.“ Mit diesen Worten legt Althea Chafia in den Schoß von Praga und hält dann ihre rechte Vorderpfote. Dann weinen beide und am Ende erzählt Althea, was nachts im Traum passiert ist. Praga kann es erst nicht glauben, aber irgendwie macht alles Sinn. Zum Schluß kommt die alles entscheidende Frage von Praga. „Und wie hast du dich entschieden?“ – „Wir werden Wintertag retten, denn Grough darf nicht umsonst gestorben sein. Allerdings rennt die Zeit. Wir haben nur noch fünf Tage bis Wintertag!“

Wenig später treffen sich Gli Splittzunge, Slaug Seelenreißer, Praga Feindspuk, Althea Polymock und der Avatar des Blassen Baums in der Omphalos-Kammer. „Wie sehen eure nächsten Pläne aus?“, fragt der Blasse Baum in die Runde. Althea übernimmt das Wort. „Wir haben uns entschlossen, Eratos Mento zu suchen und den Asura-Jungen Leteos.“ Der Avatar des Blassen Baums wiegt ein wenig hin und her, bevor er antwortet. „Zu Eratos Mento kann ich euch nichts sagen. Zu dem kleinen Asura-Jungen Leteos schon. Er ist auf dem Weg nach Götterfels. Dort will er sich mit Tixx treffen. Soweit ich es verstanden habe, will er sich an dem Aufbau vom Luftschiff beteiligen.“ Praga und Gil schauen sich kurz an und auch Altheas Augen werden groß. Da klingelt Altheas Schnappophone 4000. „Hallo Althea, bist du dran? Hier ist dein alter Lehrer, Meister Florgg.“ – „Hallo Meister Florgg, ich habe grade wenig Zeit.“ – „Sei still und hör mir zu, Althea, es ist wichtig!“ Nach dieser Ansage setzt Althea sich gerade hin und lauscht gebannt, was Meister Florgg zu sagen hat. „Du wirbelst ganz schön Staub auf, kleines Mädchen. Das Arkane Auge als Geheimdienst der Asura will dich anklagen, weil du mit Slaug Seelenreißer zusammenarbeitest. Streite es nicht ab, es gibt eindeutige Beweise. Nur weil Ratsmitglied Phlunt eingegriffen hat, läufst du noch frei herum. Die Charr auf der anderen Seite beobachten euch auch. Die Asche-Legion hat den Auftrag herauszufinden, was ihr da treibt. Die Seraphen sind ganz begierig darauf, Slaug Seelenreißer in die Finger zu bekommen. Sie sprachen über einen ungeklärten Mord. In diesem Zusammenhang wurden auch Fragen über dich gestellt.“ – „Gibt es auch gute Nachrichten?“, fragt Althea. „Nun, wenn du wissen willst, wo gerade Eratos Mento ist, dann ja.“ Mit einem Satz springt Althea hoch. „Du weißt, wo Eratos Mento ist?“ Da springen auch die Anderen auf. „Eratos Mento befindet sich aktuell in der Südlicht-Bucht und macht Geschäfte mit dem Konsortium.“ Diese Nachricht schlägt ein wie eine Bombe. „Wie kommen wir am schnellsten zur Südlicht-Bucht?“, fragt Althea. Praga und Slaug schauen betreten drein. „Was ist los?“, fragt Althea. „Wir kommen gar nicht zur Südlicht-Bucht“, antwortet Slaug. „Aber warum nicht?“, will Althea sofort wissen. „Wir müssten nach Löwenstein und dort über ein Portal zur Südlicht-Bucht reisen. Das ist unmöglich. Sobald wir in Löwenstein aus dem Portal laufen, werden wir verhaftet, weil neben jedem Tor Wachen stehen.“ Niedergeschlagen lassen alle die Schultern und Köpfe hängen.

Daraufhin meldet sich der Avatar des Blassen Baums. „Kennt ihr Trahearnchens Blumenfutter?“ Alle schauen den Avatar ziemlich verwirrt an. „Als mein Erstgeborener, Trahearne, nach Orr ging, bemerkte er, dass er schnell kraftlos wurde. Seine Forschungen haben ergeben, dass ein wichtiges Mineral im Boden von Orr fehlt. Nach langem Suchen und Experimentieren erfand er Trahearnchens Blumenfutter. Dadurch konnten alle Sylvari in Gebiete reisen, wo dieses Mineral fehlt, unter anderem auch in die Südlicht-Bucht.“ Slaug schüttelt seine Schnauze. „Ich glaub dir kein Wort. Du machst doch einen Witz.“ Da antwortet der Avatar: „Du weißt das und ich weiß das. Das Konsortium aber nicht. Also schicke ich morgen über Löwenstein eine Ladung Trahearnchens Blumenfutter in die Südlicht-Bucht. Der Punkt ist, ihr werdet in den Kisten versteckt sein und so kommt ihr ungesehen in die Südlicht-Bucht.“ Altheas Augen blitzen auf. „Wir müssen uns aufteilen. Es können nur zwei zur Bucht reisen. Die beiden anderen müssen nach Götterfels.“ Praga nickt: „Du hast recht Althea. Gil und ich werden nach Götterfels reisen und Leteos suchen. Slaug und du, ihr steht auf den Fahndungslisten gerade ganz oben. Ihr werdet zu Blumenfutter“, Praga und Gil feixen dabei und machen entsprechende Gesten, “und sucht Eratos Mento und wenn ihr ihn findet, nun das überlasse ich euch.“ – „Wie kommen wir aber wieder zusammen?“, fragt Althea.

„An der oberen rechten Seite der Insel liegt am Anlegepunkt Stolz ein Schiff, es heißt ‚Harpunierer 5‘“, erklärt Slaug. „Warum gibt es so viele Schiffe mit dem gleichen Namen?“, fragt Gil. Slaug grinst. „Es gibt nicht viele. Es gibt genau genommen nur dieses eine. Das Problem ist nur, der Kapitän und seine Löwengardisten machen gerne ein Fass auf. Der Steuermann gibt dann nicht eher Ruhe, bevor er auch was abbekommt, was regelmäßig dazu führt, dass das Schiff auf den Riffen kurz vor Löwenstein aufläuft und absäuft.“ – „Aber wie hilft uns das weiter?“, fragt Althea. „Nun, dementsprechend ist die Crew dauernd Pleite. Wenn ich ein großes Fass besorge und anbiete, werden sie uns mitnehmen“ – „und wieder absaufen“, vollendet Althea den Satz von Slaug. Der Charr grinst und fragt: „wie gut kannst du schwimmen, Althea?“

Die letzten Einzelheiten für den Einsatz werden besprochen. Codewörter werden ausgetauscht, um es Mesmern mit ihren Illusionen so schwer wie möglich zu machen, Treffpunkte werden bestimmt und Zeiten abgesprochen. Dann trennen sich die Wege. Eine letzte Umarmung, noch einmal zusammen knuddeln und dann geht es los. Der Avatar hat wie versprochen die Transportkisten bereitgestellt. Innen weich gepolstert, werden über ein Energiefeld die Insassen noch zusätzlich geschützt. Zusätzlich wird Erde und Granulat gemischt und die Kiste damit vollgeschüttet. Bei einer flüchtigen optischen Kontrolle soll nichts zu sehen sein. Dann gehen die Deckel zu und Althea ist allein. Flugs holt sie Chafia hervor und drückt ihren Teddy fest an sich. Das fahle Licht und der wenige Platz in der Kiste sorgen für Unruhe, aber Chafia gibt der kleinen Althea die Kraft durchzuhalten. Es rumpelt und ab und zu hört Althea Stimmen, aber sie sind so gedämpft, dass sie nicht versteht, was sie sagen. Nach ihrer Uhr muss sie noch zwei Stunden Ruhe bewahren. Der Blasse Baum hat genau angegeben, wie lange die Reise dauern wird, wenn nichts dazwischen kommt. Ein Knall! Althea glaubt, mit der Kiste aus großer Höhe auf den Boden zu krachen, doch da ist es schon wieder vorbei. Noch Neunzig Minuten bis zum Öffnen der Kiste. Althea wartet und schaut dabei immer wieder auf die Uhr. Die Zeit will scheinbar nicht vergehen. Quälend langsam bewegen sich die Ziffern. Da klopft etwas von rechts an die Kiste. Zweimal, dann vier Sekunden Pause, dann klopft es auf der anderen Seite sechsmal. Das ist das Zeichen von Slaug, endlich kann sie den Deckel der Kiste wegsprengen und herauskommen. Beide sind sicher in der Südlicht-Bucht angekommen.

Hinter Abdeckungen verborgen schleichen beide über eine Mauer Richtung Norden. „Wir müssen eigentlich Richtung Westen, aber das Wasser ist voller Riffhaie“, erklärt Slaug. „Die fressen uns schneller, als du ‚Trahearnchens Blumenfutter‘ sagen kannst.“ Althea muss lachen. „Komm, spring auf. Wir sind schneller, wenn du auf meinem Rücken sitzt.“ So springt Althea in den Nacken von Slaug und der Charr rennt los. „Wo rennst du hin?“, fragt Althea. „Subdirektor Noll vom Konsortium ist nicht unbedingt zufrieden mit seinem Rang und seiner Tätigkeit. Das macht ihn empfänglich für Geschäfte mit Zwielichtigen Gestalten.“ – „Gestalten wie dir?“, fragt Althea und lacht. Slaug knurrt kurz auf. „Ja, auch ich habe schon Geschäfte mit ihm gemacht und jetzt Ruhe, ich muss mich konzentrieren.“ Althea hält sich weiter im Nacken fest und kommt Slaugs Bitte nach. Sie sieht all die Windreiter und verrückten Karka und hat Angst. Mit einer Hand fasst sie immer wieder Chafia an und der Teddy gibt Althea Kraft und Hoffnung. Dazu kommt die Erinnerung an Grough. Nein, er darf nicht umsonst gestorben sein. Durch das Dampfrohr-Gehöft durchzukommen, ist am schwierigsten. Viele kleine Karka belagern das Gebiet. „Hier ist kein Durchkommen“, meint Slaug. „Was machen wir jetzt?“, fragt Althea. „Wir warten.“ – „Was heißt, wir warten?“ – „Wir müssen schauen, wann das Konsortium das Gebiet zurückerobert.“ – „Wie lange dauert das? Wann wird das sein?“, fragt Althea. Slaug zeigt mit einer Geste, dass er die Frage nicht beantworten kann. „Aber was passiert, wenn Eratos Mento in der Zwischenzeit verschwindet? Wir sind so nah dran.“ Slaug steht auf und sagt zu Althea: „Komm mal mit.“ Dann marschieren beide etwas näher an das Gehöft heran. Plötzlich zwickt etwas Althea in ihren Po und dann noch an ihren Haaren. „Aua! Aua! Au!“ – „Das sind Karka-Junge. Sie beißen sich gerne an ihren Opfern fest und lassen sie nicht los.“ – „Slaug, hilf mir! Aua, das tut weh.“ Doch Slaug lacht nur und geht zurück an die Raststelle, von der sie vorhin aufgebrochen sind. Es dauert vielleicht zwei bis drei Minuten, bis Althea sich über den Boden rollt und siehe da, die beiden Karka-Junge verschwinden. „Du gemeiner Kerl! Das hast du extra gemacht!“ – „Ja stimmt, sonst hättest du keine Ruhe gegeben. Jetzt setzt dich hin und warte. Das Konsortium wird die Arbeit für uns erledigen.“ Althea setzt sich neben Slaug hin und beide essen etwas von ihren Vorräten und warten.


In der Zwischenzeit sind Praga und Gil durch das Tor vom Hain in Richtung Löwenstein gegangen. Lauernd schauen sie sich um, als sie in Löwenstein auf dem Torplatz ankommen, aber niemand macht Anstalten, sie aufzuhalten oder anzusprechen. Also gehen sie weiter in Richtung des Portals, das sie nach Götterfels bringen soll. Da wird Gil von der Seite angerempelt. Ein kleiner Asura murmelt noch ‚Entschuldigung‘ und läuft weiter. Praga und Gil schauen sich an. Das ist doch nicht normal. Seit wann entschuldigt sich ein Asura? Schnell drehen sie sich um, doch der kleine Asura ist verschwunden. Dafür findet Gil in seiner Tasche einen kleinen Zettel. Ein Ort und eine Uhrzeit stehen drauf. Götterfels, Grenth-Platz, Friedhof, die 7. Stunde nach Sonnenuntergang. Kurz nachdem er Praga den Zettel gezeigt hat, friert das Papier plötzlich ein. Es knistert und kleine Schneeflocken, die vorher mal der Zettel waren, rieseln zu Boden. „Es sieht so aus, also ob wir erwartet werden“, meint Praga. „Ja, aber nicht von der Asche -Legion oder den Seraphen. Der Menschengott des Todes selbst will mit uns spielen. Aber wie sage ich immer, wenn es blutet, kann man es töten. Schauen wir mal, ob Grenth blutet.“


Beim Dampfrohr-Gehöft kommt mittlerweile Bewegung rein. Das Konsortium hat scheinbar einige „Freiwillige“ gefunden, die für sie hingehen und das Gebiet säubern. Slaug und Althea stehen auf und schleichen langsam vorwärts. Kurz bevor die Gruppe Freiwilliger das Gebiet komplett gesäubert hat, mischen sich die beiden dazu und töten ebenfalls zwei Karka-Junge und zünden ihre Nester an. Ein Mitglied vom Konsortium bedankt sich bei den Freiwilligen recht einsilbig und meint, wenn sie Gold haben, könnten sie bleiben, ansonsten wäre gegen eine Weiterreise nichts einzuwenden. Die Situation passt beiden ganz gut und sie wollen sich gerade auf den Weg durch das Tor in Richtung Rückzugsort des Kapitäns machen, als sie eine Stimme anruft. „Slaug, mein Bruder, was treibt dich hierher auf die

Insel?“ Slaugs Haare sträuben sich schlagartig. Langsam dreht er sich in Richtung der Stimme. „Brandor Seelenreißer, ich hatte die Hoffnung, dich nie wiederzusehen“, kommt als Antwort von Slaug. „Ich freue mich auch. Was machst du hier und wer ist deine Begleitung?“, fragt der Charr, der in auffälliger Konsortium-Kleidung vor ihnen steht. „Das ist Althea, eine Freundin. Jemand, auf den man sich verlassen kann.“ – „Ah ja, nicht so wie auf mich, meinst du?“, kommt die lauernde Frage von Brandor. „Dir werde ich sicher nicht den Rücken zudrehen, aber abgesehen davon, was treibst du hier und warum trägst du diese merkwürdige Kleidung vom Konsortium?“ – „Nun, wie du vielleicht noch weißt, habe ich es nicht so mit den Hochlegionen.“ – „Stimmt, selbst die Flammen-Legion wollte dich nicht haben. Du bist ein Feigling, ein Betrüger und ganz allgemein eine Schande für die Charr.“ – „Aber Bruder, du hast noch nachtragend und niederträchtig vergessen. Ich schlage dir ein Geschäft vor. Du verrätst mir, warum du hier bist und wie du mich an deinem Geschäft mit 50 % beteiligen wirst, oder meine Freunde beim Konsortium werden die Steckbriefe durchsuchen und schauen, wie viel Gold auf deinen Kopf ausgesetzt worden ist.“ Entsetzt schaut Althea Slaug an. Der schüttelt nur den Kopf. „Kein Geschäft, Brandor, ich bin in einer wichtigen Mission unterwegs, die kein Gold abwirft, aber dringend ist.“ Brandor Seelenreißer lächelt nur mitleidig. „Falsche Entscheidung, Slaug. Du weißt, ein gefüllter Geldbeutel war mir immer wichtiger als Blutsbande.“ Auf ein kurzes Signal von Brandor, stehen plötzlich drei weitere Leute vom Konsortium neben ihm. „Verhaftet die beiden. Der eine ist Slaug Seelenreißer. Die Seraphen suchen ihn und haben eine hohe Belohnung für seine Ergreifung ausgesetzt.“ – „Was machen wir mit dem Asura-Mädchen?“ – „Wir brauchen doch immer Bedienungen in der Taverne, oder?“, kommt von Brandor als Antwort. Die drei Mitglieder vom Konsortium nähern sich Slaug und Althea. Die kleine Asura sucht hinter dem Rücken von Slaug nach Schutz und klammert sich an seinem Fell fest. „Brandor, du bist gefeuert!“ Irritiert schaut Brandor Seelenreißer seinen Bruder an. „Bitte was?“ – „Du bist gefeuert!“ Brandor hebt seinen recht Arm und die drei Männer, die schon ihre Hände nach Slaug ausgestreckt haben, bleiben stehen. „Okay, erklär es mir.“ – „Wäre Althea nicht hier, wärt ihr alle vier schon Futter für die Karkas. Wie ich schon gesagt habe, ich bin auf einer Mission und nur deshalb schenke ich dir das Leben. Wir haben in genau einer Stunde einen Termin mit Subdirektor Noll und glaub mir, der Subdirektor will diesen Termin unbedingt. Sollte ich ihn nicht einhalten, wird er bestimmt erfahren, was passiert ist, und was meinst du, was dann passiert?“ Brandor Seelenreißers Schnauze verzieht sich vor Zorn. „Bei unserem nächsten Treffen bist du tot.“ Die Körperhaltung von Slaug entspannt sich und auch Althea merkt, dass es vorbei ist. „Nun komm, sei ein braves Kätzchen und sage deinem Herrn, dem Subdirektor Bescheid, dass wir kommen. Ach ja und die anderen drei hier begleiten uns. Ich habe keine Lust, unterwegs von Karkas angegriffen zu werden. Wenn doch, werden die drei uns sicher gut und gerne verteidigen.“

Mit knurrenden Lauten verschwindet Brandor Seelenreißer in Richtung Rückzugsort des Kapitäns. Dann wendet sich Slaug an die drei verbliebenen Konsortiumsmitglieder. „Ihr habt meinen Wunsch gehört. Wir warten fünf Minuten und geben eurem furchtlosen Anführer einen Vorsprung und dann gehen wir hinterher. Sollten Karkas oder Windreiter auftauchen, kümmert euch um sie, Hauptsache wir sind geschützt. Je besser ihr eure Aufgabe erledigt, desto positiver werde ich Subdirektor Noll über euch berichten.“ Die drei Konsortiumsmitglieder verstehen sehr schnell und als Slaug die Hand von Althea hält, geht diese mutig aufrecht neben Slaug. Es dauert etwa eine Stunde, bis sie beim Rückzugsort des Kapitäns ankommen. Subdirektor Noll steht an der Brücke und erwartet Slaug und Althea bereits. „Slaug Seelenreißer, ich freue mich, meinen guten Geschäftsfreund wiederzusehen. Wie können wir heute zusammen unseren Gewinn vermehren?“ – „Subdirektor Noll, auch ich freue mich, dass wir uns wiedersehen, auch wenn mein Besuch hier beinahe ein trauriges Ende gefunden hätte.“ Dabei blickt er zu Brandor der ihn wütend anfunkelt. „Was kann ich für meinen Geschäftspartner tun?“ – „Ich brauche nur eine Information heute und ich biete eine Karaffe mit Tollkirschensaft aus dem Hain. Ihr wisst, zwei Tropfen davon im Wein steigern den Mut Eurer Männer in gewinnträchtige Höhen. Vier Tropfen jedoch lassen jeden den Wunsch verspüren, mit einem Veteran Karka zu kuscheln. Solltet Ihr also jemanden auf Patrouille schicken, der nicht mehr zurückkommen soll …“ In diesem Moment hebt der Subdirektor die Hand. „Danke ich habe schon verstanden. Nun, was interessiert Euch denn so brennend?“ – „Wir suchen einen Menschen und wir haben gehört, dass er sich in der Südlicht-Bucht aufhalten soll.“ – „Wie ist sein Name?“ – „Eratos Mento.“ – „Der Name sagt mir aktuell nichts. Gebt mir einen Augenblick, ich werde gleich mehr wissen.“ Der Subdirektor geht an sein Schnappophone 4000 und fängt an, verschiedene Leute anzurufen. Währenddessen schleicht Althea ganz nah an Slaug heran. „Ich will weg hier!“ – „Ganz ruhig, Althea, es läuft alles gut. Entweder wir haben gleich Eratos Mento oder wir reisen bald weiter. Schau, der Subdirektor kommt schon zurück.“ – „Mein Freund, Ihr seid etwas zu spät. Eratos Mento hat seine Geschäfte erledigt und geht genau in diesem Moment durch das Portal nach Löwenstein. Aber ich kann Euch vielleicht noch weiterhelfen. Meine Leute haben mir berichtet, dass er auf dem Weg nach Götterfels zum Friedhof ist. Vielleicht hilft Euch diese Information.“ – „Ich danke Euch, Subdirektor. Hier die Karaffe, wie besprochen. Ach ja, eine Bitte noch, Subdirektor. Könnt Ihr uns bitte auf dem Weg zurück einen Teleport zum Perlen-Inselchen bereitstellen? Ich möchte ungern unterwegs einem Unfall zum Opfer fallen.“ Brandor Seelenreißer knurrt auf und am liebsten möchte er seinen Bruder anspringen, doch dann entspannt er sich wieder. „Bitte, folgt mir“, antwortet der Subdirektor. „Ich bringe Euch persönlich zum Startpunkt des Teleporters.“ Der Weg ist nicht weit und als der Teleport zum Perlen-Inselchen dann eingeleitet wird, sieht Slaug als Letztes die hasserfüllten Augen seines Bruders. Als Althea die Augen öffnet, ist der Transport bereits vorbei und die beiden stehen direkt vor dem Tor. Diesmal müssen sie keine Angst haben, verfolgt zu werden, denn alle hier wissen, dass Slaug ein Geschäftsfreund des Subdirektors und damit „unberührbar“ ist. „Was machen wir jetzt?“, fragt Althea. „Wenn wir durch das Tor gehen und in Löwenstein ankommen, wirst du sofort verhaftet.“ – „Keine Sorge, der Subdirektor hat extra eine Kiste mitgeschickt die ‚dringend‘ nach Götterfels muss. In einer Stunde beginnt der Transport.“ Die Sonne versinkt im Meer des Leids, als die beiden in die vorbereitete Kiste steigen. Es ist bei Weitem nicht so bequem wie beim ersten Transport, aber es ist sicher. Acht Stunden dauere der Transport, so wurde ihnen gesagt. Der Weg nach Löwenstein ist schnell erledigt.Ihre Tarnung, die Kiste, in der sie versteckt sind, versteckt zwischen vielen anderen Kisten, ist genial, aber auch sehr zeitaufwendig. Manchmal hören sie ein Klopfen, dann ein Kreischen und ab und zu haben sie auch das Gefühl, dass ihre Kiste bewegt wird, aber sie haben keine Möglichkeit, nach draußen zu schauen. „Wo kommen wir eigentlich an in Götterfels?“, fragt Althea. „Warst du schon mal in Götterfels?“ – „Nein, ehrlich gesagt war ich bisher kaum woanders. Das ist meine erste große Reise.“ – „Götterfels ist die größte Stadt der Menschen in Kryta. Sie hat die Form eines riesigen Rades. Die Oberstadt beherbergt Königin Jennahs Palast. Sechs Hochstraßen, von denen jede einer Gottheit der Menschen gewidmet ist, teilen die Unterstadt in Bezirke auf. Unsere Kiste kommt ins Ossa-Viertel direkt zu einer Schänke. Diese Schänke wird indirekt vom Konsortium geleitet. Unsere Kiste wird in den Keller gebracht und dort in einer Abstellkammer abgelegt.“ – „Und wie geht es dann weiter?“, fragt Althea. „Tja da wird es kompliziert. Ich habe noch keine Ahnung.“

In der Zwischenzeit machen sich Praga Feindspuk und Gil Splittzunge auf den Weg zum nächsten Tor, was sie nach Götterfels bringt. Als sie hindurchlaufen, kommen sie im Palast-Garten an. Überall stehen Wachen, doch keiner scheint Notiz von ihnen zu nehmen. So als ob nichts wäre, laufen beide los Richtung Süden. „Kennst du dich hier aus?“, fragt Praga in Richtung von Gil. „Es ist lange her, aber ich war mal hier. Wenn wir weitergehen, kommen wir ins westliche Marktviertel. Dort treffen wir auf Gassenschleicher. Ihnen geht es ähnlich wie uns. Sie werden übersehen und keiner interessiert sich für sie, aber so bekommen sie auch alles mit. Wenn einer weiß, wo hier der Friedhof ist und gegen welche Gefahren wir uns schützen müssen, dann erfahren wir es von den Gassenschleichern.“ Ihr Weg führt sie weiter Richtung Süden und plötzlich bemerken sie auch die ersten Schatten, die ihnen folgen. „Wir haben Anhänger, wie es scheint“, raunt Praga leise zu Gil rüber. Gil schließt kurz beide Augen als Zeichen, dass er sie auch bemerkt hat. „Laufen wir weiter oder was machen wir?“, fragt Praga.

„Erinnerst du dich noch an den alten Mesmer-Illusions-Trick von mir?“, fragt Gil und Praga fängt an zu lächeln. „Oh ja, wann gehts los?“ – „Ich gebe dir ein Zeichen.“ Sie schlendern weiter auf der Stadtpromenade, bis sie zu einem Durchgang für einen Teleport-Aufzug ankommen. Dort holt Gil unauffällig sein Zepter hervor. „Durch, Illusion, rechts, Teleport-Aufzug links zum Meister-Waffenschmied.“, erklärt kurz den Plan. Beide durchschreiten das Feld des Teleport-Aufzuges, das sie nach oben bringt. Gil lässt blitzschnell zwei Illusionen von ihnen entstehen und schon laufen sie nach rechts zum nächsten Teleport-Aufzug, der sie wieder nach unten bringt. Unten auf der Promenade biegen sie sofort links ab zum Waffenschmied und bitten dort um eine Einweisung als Anfänger der Waffenschmiedekunst. Der Schmied ist hoch erfreut und nimmt beide mit in seine Werkstatt. Der Vortrag dauert eine Stunde und ist todlangweilig, aber als sie beide den Schmied verlassen, ist von ihren Schatten nichts mehr zu sehen. „Fordern wir unser Glück nicht weiter heraus“, meint Gil. „Das westliche Marktviertel ist von hier aus schnell zu erreichen.“ So laufen sie los, an Häuserreihen vorbei und es wird schon dunkel, als sie im Marktviertel den ersten Gassenschleicher treffen. Zwei Betrunkene schubsen den Gassenschleicher vor sich her. „Komm, gib uns dein Geld! Der Wirt gibt uns ohne Geld nichts mehr, aber du hast doch genug!“ – „Verschwindet, oder ich rufe die Wache.“ – „Ha ha, der war gut. Wir wissen doch, dass ihr Gassenschleicher alle Dreck am Stecken habt. Du wirst keine Wache rufen. Also los, rück dein Geld raus oder müssen wir es aus dir herausprügeln?“ Die beiden Betrunkenen kommen dem Gassenschleicher immmer näher und drücken ihn an eine Hauswand, als Gil ruft: „Ihr habt recht, er wird die Wache nicht rufen, aber das braucht er auch nicht. Er hat Freunde, die ihm helfen.“ Verwundert schauen alle drei Gil an. Dann fragt einer der Betrunkenen: „Wer bist du?“ – „Ich? Ich bin ein Freund von diesem Gassenschleicher. Also, verschwindet ihr nun freiwillig oder muss ich nachhelfen?“ Als Praga noch zwei Schritte nach vorn macht, laufen die beiden unter wüsten Beschimpfungen davon. Der Gassenschleicher bleibt vorsichtig an der Häuserwand stehen. „Wer seid ihr und was wollt ihr?“ Das Misstrauen in seiner Stimme ist eindeutig. „Wir kommen aus der Schwarzen Zitadelle und sind beide Gladium, wenn dir das etwas sagt.“ Das Gesicht des Gassenschleichers hellt sich auf. „Wir stehen auf einer Stufe, wie kann ich euch helfen?“ – „Wir brauchen Informationen.“ Gil und Praga fangen abwechselnd an zu erzählen. Die Geschichte, wie sie Althea getroffen haben, ihre Wanderung, das Treffen mit Kundrag, der Besuch im Hain und die Geschichte mit Grenth, Eratos Mento und dem Wintertag. Der Gassenschleicher hört fasziniert zu und am Ende der Geschichte sagt er: „Wintertag ist für uns die einzige Hoffnung im Jahr, mit anderen Menschen friedlich zu feiern und glücklich zu sein. Niemals darf Grenth gewinnen. Ihr habt die Unterstützung aller Gassenschleicher in Götterfels und wir sind viele. Ich werde sie alle informieren.“ Gil und Praga bedanken sich, doch damit sind einige Fragen und Probleme noch nicht gelöst. „Wo ist der Friedhof?“ – „Er befindet sich ganz im Norden, sozusagen auf der gegenüberliegenden Seite von Götterfels. Ihr braucht etwa zwei Stunden, wenn ihr jetzt loslaufen würdet.“ – „Wie viel Stunden seit Sonnenuntergang sind bis jetzt vergangen?“, fragt Praga. „Eine Stunde“, kommt sofort als Antwort. Praga und Gil schauen sich an. „Dann bleiben noch vier Stunden bis zur 7. Stunde.“


Stimmen! Slaug und Althea hören sie beide. „Sie müssen hier irgendwo sein. Da, da ist die Kiste. Los, macht sie auf.“ Slaug hört das Ansetzen von Brechstangen. Schnell nimmt er seine Waffen und macht sich Kampfbereit. Auch Althea hat ihren Dolch gezückt. Ein Knall und blendendes Licht fällt in die Kiste. „Wir haben sie gefunden!“ Slaug will aus der Kiste springen, aber drei kräftige Arme halten ihn fest. „Wartet, wir kommen im Auftrag von Gil und Praga!“ Schlagartig entspannt Slaug sich und gleitet zurück in die Kiste. „Wieso? Woher?“ Slaug und Althea sind komplett verwirrt. „Kommt erst einmal heraus aus der Kiste. Wir erklären euch alles oben in der Schänke.“ So verlassen die beiden ihre Transportkiste und sehen zum ersten Mal vier komplett verwahrlost aussehende Menschen vor sich stehen. „Kommt, der Wirt erwartet uns schon. Wir erzählen euch am Tisch die Geschichte, warum wir euch gesucht haben und woher wir Gil und Praga kennen.“ Als sie oben ankommen, begrüßt der Wirt sie herzlich und bringt eine Amphore mit seinem besten Wein. Nachdem die Gläser gefüllt sind, erzählen die vier Gassenschleicher die Geschichte, wie Praga und Gil einen der Ihren gerettet haben. Dazu kommt das Wissen um die Mission von Althea. So sind alle Gassenschleicher in Götterfels im Augenblick auf der Suche nach den beiden gewesen. „Und wo sind Gil und Praga jetzt?“ – „Sie sind auf dem Weg hierher. In einer Stunde beginnt eure Reise zum Friedhof.“ Nach 30 Minuten kommen Gil und Praga zur Schänke rein. Althea springt auf und springt beiden abwechselnd an den Hals. „Wir freuen uns auch, euch zu sehen“, kommt es von Gil, nachdem Althea ihn losgelassen hat. „Was wird uns auf dem Friedhof erwarten?“, fragt Althea. Keiner weiß es, aber Praga meint: „Ich glaube, wir werden dort Eratos Mento treffen. Die Jagd muss ein Ende haben und ich denke, die Gegenseite sieht es genauso. Der Showdown beginnt.“

Alle überprüfen noch einmal ihre Waffen und ihre Ausrüstung. Althea drückt Chafia nochmals ganz fest an sich und dann geht es los. Die Gassenschleicher kontrollieren das Umfeld und sobald sich eine Wache nähert, schlagen sie Alarm, sodass die Seraphen in eine andere Richtung gelockt werden. Ihr Weg führt sie vorbei an der Statue von Grenth, welche eine unheimliche Kälte verbreitet. „Ich habe Angst“, ruft Althea. „Diese Kälte, sie ist so unnatürlich.“ Praga und Slaug nehmen Althea in die Mitte, als sie wenig später am Friedhof ankommen. „Alles läuft wie besprochen. Ihr bleibt hier am Eingang zurück und passt auf, dass die Seraphen uns nicht in die Quere kommen.“ Die Gassenschleicher nicken zur Bestätigung und verschwinden in der Dunkelheit. „Es ist soweit, die 7. Stunde beginnt“, meint Gil und Althea ist die Erste, die ihren Fuß auf den Friedhof setzt. Grabsteine, wohin das Auge blickt. Manche mit Text, manche ohne. Mal wird der Verlust eines geliebten Menschen beklagt, mal wird Grenth um ein mildes Urteil für einen Verstorbenen angefleht. Ein dunkelgrünes Licht erscheint von der Mitte des Friedhofs. „Dort, die Stufen hoch, die Kuppel genau in der Mitte, dort ist unser Ziel“, meint Gil. Vorsichtig, Schritt für Schritt, nähern sie sich der Kuppel. Als sie die letzten Stufen erklimmen, schlägt ihnen eine Stimme entgegen. „Ihr könnt den Sieg von Grenth diesmal nicht verhindern.“ Und da sehen sie ihn, Eratos Mento. Althea schreit auf, als sie einen kleinen Asura-Jungen auf dem Deckel eines Sarges liegen sieht. „Da ist Leteos“, schreit sie und zeigt auf den leblosen Asura-Jungen. Eratos Mento lacht nur. „Ja, ich habe ihn vor euch gefunden und Grenth ist gerade dabei, über seinen 7. Schnitter die Energie von ihm zu entnehmen, die seine Mutter Dwayna jedes Jahr extra versteckt, um sich einen unfairen Vorteil zu verschaffen.“ Alle beobachten, wie Leteos sich unter Schmerzen windet und seine Haut und sein Gesicht scheinbar altern. Eratos Mento, der die Blicke verfolgt, erklärt: „Ja, der Lösungsprozess ist sehr schmerzhaft und es wird ihn umbringen, aber Grenth ist für Chancengleichheit und da müssen Opfer gebracht werden!“ In diesem Moment fällt ein Stern vom Himmel und schlägt als Lichtkaskade zwischen Eratos Mento und der Gruppe auf den Boden. „Ich kann den Tod von Leteos nicht zulassen. Ich kümmer mich um den 7. Schnitter von Grenth, ihr kümmert euch um Eratos Mento!“ – „Grough!“ Wie ein Donnerhall erschallt Altheas Stimme in der Stille des Friedhofs. Es ist Grough Herzlos, der in strahlendes Licht getaucht ein Schwert zieht und sich dem 7. Schnitter von Grenth nähert. „Beeilt euch“, ruft Grough, „sonst ist Leteos verloren und alles war umsonst.“ Als ob dies das Startsignal wäre, stürmen alle auf Eratos Mento zu. Seine Augen werden hellgrün und er zerfließt vor den Augen der Gruppe. „Wie macht er das?“, fragt Althea aufgeregt. „Ich habe gehört, dass die Inquestur Experimente an Gefangen durchgeführt hat. Es wurde in diesem Zusammenhang von Subjekt Alpha gesprochen. Vielleicht gehörte er in die gleiche Experimentenreihe.“ – „Gil! Hinter dir!“ Gil springt in die Höhe und entkommt gerade so dem Schlag mit dem Stab, der ihn sonst sofort getötet hätte. Schon zerfließt Eratos wieder. „Wenn meine Informationen richtig sind, kann er das nicht beliebig machen. Wenn er das dritte Mal im Boden versickert ist, braucht er eine Pause von drei Minuten.“ Da kommt etwas geflogen und trifft Gil direkt am Kopf. Wie von einem Blitz getroffen kippt er um. Da erscheint Eratos plötzlich vor Althea und holt mit einem Dolch aus und sticht zu! „Althea!“

Pragas Schrei zeigt die ganze Verzweiflung. Mit einem Satz ist die Charr bei Althea. Vorsichtig zieht sie das Messer heraus, aber es klebt kein Blut dran. „Chafia hat mich gerettet“, flüstert Althea und kommt zitternd wieder hoch. Da versickert Eratos zum dritten Mal im Boden. „Er muss gleich wieder erscheinen“, ruft Slaug. „Praga, weißt du noch, wie ich damals die Plätzchen im Alter von sechs Wochen aus dem Schrank geklaut habe?“ „Was willst du jetzt damit …“, fängt Praga den Satz an, als sie versteht und ihre Augen funkeln. „Alles klar. Althea, komm zu mir. Du bist jetzt unsere Plätzchen.“ – „Bitte, was bin ich?“ – „Vertrau mir und setzt dich hier an den Grabstein.“ Althea hat ein mulmiges Gefühl, tut aber, was Praga sagt. „Wir haben noch 120 Sekunden, wenn Gil recht hat. Los, holen wir ihn.“ Praga und Slaug legen den bewusstlosen Gil neben Althea hin. „Deine Aufgabe ist nun, Gil zu pflegen, damit er hoffentlich schnell genug wieder aufwacht.“ – „Und was macht ihr?“, fragt Althea. „Wir bauen eine Falle auf.“ Praga und Slaug verschwinden nach oben auf das Dach des Torbogens, wo sie durch die Dunkelheit keiner mehr sieht. Althea beobachtet Grough, wie er sich ein Schwertduell mit dem 7. Schnitter liefert. Gil stöhnt auf. Ein Zeichen, so hofft Althea, dass er bald wieder aus der Ohnmacht erwacht. In diesem Moment kommt ein Schatten aus dem Boden geschossen, Eratos Mento. „Grenth, mein dunkler Gott, der mich befreit hat, dies ist dein Sieg!“ Dann stürzt er sich auf Althea. Nein! Ranken halten Eratos mitten im Sprung in der Luft fest. „Schnell, die Ranken können ihn maximal zehn Sekunden halten. Greift ihn mit allem an, was ihr habt. Er muss jetzt sterben!“

Gil, der gerade erwacht, wirft ein Messer, Praga nimmt eine Axt und wirbelt wie ein Derwisch an Eratos entlang, ohne die Ranken, die ihn festhalten, zu berühren. Gil nimmt sein Zepter und verwirrt mit Konfusion seinen Geist, damit er sich möglichst lange nicht wehren kann. Althea steht nur ganz ruhig da. Sie schaut zu Grough und als dieser kurz zu ihr rüberschaut und ihr zunickt, stürmt sie los. Sie schreit: „Für Grough Herzlos!“, und ihr Dolch fährt genau ins Herz von Eratos Mento. Ein verzweifeltes letztes Stöhnen und er fällt auf den Boden, da die Ranken ihre Kraft verloren haben. Dann zerfließt er wieder und verschwindet. Alle stürmen wieder zur Kuppel, wo Grough grade sein Schwert erhebt. „Gib alle gesammelte Energie an den Jungen zurück oder ich schwöre, Grenth hat einen Schnitter weniger.“ Der 7. Schnitter streckt einen Arm aus und ein goldener Strom aus Energie fließt aus ihm heraus in Richtung von Leteos. Gebannt beobachten sie, wie der kleine Asura wieder jünger wird. Als der Strom versiegt, wendet sich Grough wieder dem Schnitter zu. „Die Gerechtigkeit deines Herrn mag an allen Tagen zählen, aber am Wintertag soll Liebe, Glück und Herzlichkeit herrschen. Geh und berichte deinem Herrn, dass Dwayna, seine Mutter, ihn wieder erwartet, um erneut für diese Werte zu kämpfen.“ Da verschwindet der 7. Schnitter und nimmt die Kälte mit sich. Althea stürmt auf Grough zu. „Du lebst! Wie kann das sein?“ Auch die Anderen kommen zu Grough, um seine Geschichte zu erfahren. „Es tut mir leid, Althea. Ich lebe nicht wirklich. Mein Schicksal war von Anfang an vorherbestimmt. Die Träume haben es mir gezeigt, aber ich habe es nicht verstanden. Ich bin ein Avatar von Dwayna. Die Göttin der Menschen wusste, dass sie irgendwann einen alten Charr wie mich brauchen würde. Als sie bemerkte, was Grenth vor hat, versuchte sie mich durch die Träume vorzubereiten. Erst im Hain habe ich verstanden und ich nahm meine Rolle an. Dwayna ist für mich keine Göttin, sondern nur ein Wesen mit sehr viel Macht, aber ihre Liebe trifft selbst ein altes Charr-Herz wie meines und so werde ich sie bei Bedarf immer verteidigen. Ich muss mich verabschieden, doch viele Freunde sind hier und wollen jetzt mit euch feiern.“ In diesem Moment wird Grough wieder zu einem hellen Lichtschein und fliegt in Richtung Himmel. Mit Tränen in den Augen schaut Althea nach oben. „Wo bin ich?“ Leise kommt eine Stimme aus der hinteren Ecke der Kuppel. Althea stürmt nach vorn. „Wie gehts dir?“, fragt sie leise Leteos. „Ich hätte gerne einen Kaktusbeerensaft und bei mir dreht sich alles.“ Altheas Augen leuchten auf. „Na so schlecht kann es dir ja nicht gehen.“ Leteos blinzelt mit den Augen und meint dann: „Wer bist du, hübsches Mädchen? Ich finde deine Ohren toll.“ Althea wird schlagartig rot und Praga, Slaug und Gil fangen hemmungslos an zu lachen. „Immer mit der Ruhe, junger Frauenheld“, meint Praga. „Wir nehmen dich jetzt erst mal mit in eine Taverne. Dort ruhen wir uns aus und können alle abschließenden Fragen klären.“ Als sie den Friedhof verlassen, warten die ersten Überraschungen bereits auf sie. Eine Eskorte der Seraphen auf der einen Seite und die Gassenschleicher auf der anderen Seite bilden ein Spalier bis zur Taverne. Auf den Stufen hoch zum Eingang sieht Althea plötzlich Phlunt, ihren alten Lehrer sowie Mama und Papa. Mit einem Schrei stürmt sie vorwärts und umarmt beide so fest sie nur kann. „Meine Kleine, wir sind so stolz auf dich“, sagt Papa. „Jetzt übertreibt mal nicht“, kommt da von Phlunt. „Ja, der Nachwuchs hat etwas zustande gebracht, aber sie hat meine Aufgabe nicht erfüllt. Ich glaube nicht, dass ich sie für das Kolleg der Dynamik zulassen kann.“ Da mischt sich plötzlich Meister Florgg ein. „Phlunt, erinnerst du dich noch daran, als du nicht auf mich gehört hast und die Inquestur…“ – „Stop! Ich will nichts davon hören. Althea, du bist ab sofort Mitglied im Kolleg der Dynamik und hast somit das Recht, einer Kru beizutreten.“ Althea ist so glücklich in diesem Moment, dass alle Hemmungen von ihr abfallen und sie zu Leteos läuft und ihn küsst. Dieser schaut ganz verdutzt und Althea sagt: „Du hast auch hübsche Ohren.“ Unter großem Gelächter gehen alle in die Schänke. Der Wirt holt einige Amphoren Bier und Dolyak-Fleisch und Praga eröffnet die Fragestunde. „Warum sind wir eigentlich nicht verhaftet worden?“ Da kommt der Gassenschleicher nach vorne, den Gil und Praga gerettet haben. „Ich bin kein echter Gassenschleicher. Ich bin Leutnant Petrel von den Seraphen. Wir schleichen uns ab und zu unter die Gassenschleicher, um gute Informationen zu erhalten. Als ihr eure Geschichte erzählt habt, war mir klar, was damals in Löwenstein passiert ist. Ich informierte meine Vorgesetzten und diese sprachen mit den Löwengardisten. Anschließend wurde die Anklage gegen Slaug fallengelassen.“ – „Es gibt noch Gerechtigkeit außerhalb von General Seelenhüters Gnaden“, stöhnt Slaug auf. „Danke!“ – „Warum seid ihr hier?“, fragt Althea ihre Eltern. „Wir bekamen eine Nachricht vom Avatar des Blassen Baums der Sylvari. Er erzählte uns, was passiert ist, und bat uns, schnellstmöglich nach Götterfels zu kommen und Meister Florgg sowie Ratsmitglied Phlunt mitzubringen.“ – „Mich interessiert noch etwas anderes“, ruft Althea in die Runde. „Was war das für eine Geschichte mit den Plätzchen? Wieso war ich plötzlich ein Plätzchen und woher kamen die Ranken?“ Praga fängt an zu lachen und erklärt dann: „Als Slaug sechs Wochen alt war, rannte er immer im ganzen Haus herum und spielte verstecken. Jedes Mal, wenn ich ihn kämmen wollte, wozu er stillsitzen musste, haute er ab. Also habe ich auf den Küchentisch ein Glas mit Plätzchen gestellt, denen er nicht widerstehen konnte. Dann habe ich Rankenkeimlinge auf dem Boden verstreut und als er kam, schossen Ranken auf ihn zu und er musste stillhalten. Zum Schluß hat er dann immer zwei Plätzchen bekommen.“ An dieser Stelle erzählt Slaug weiter. „Durch das Buch, das wir im Svanir-Dom gefunden haben, wussten wir, dass Eratos unbedingt Kontakt zur Erde braucht, um seine volle Macht auszuspielen. Als er so in der Luft hing, wurde er angreifbar für uns.“ – „Eine Frage habe ich noch“, kommt da von Gil. „Was ist mit Chafia?“ Vorsichtig zieht Althea ihren Teddy hervor. Man sieht eindeutig den Riss im Bauchbereich, den die Klinge von Eratos Mento verursacht hat. „Chafia hat mein Leben gerettet und sobald ich zu Hause bin, werde ich den Riss schließen und es wird alles wieder sein wie früher.“ Ein letztes Mal drückt sie ihren Teddy fest an sich, bevor sie ihn wieder unter ihrer Kleidung versteckt. „Das war es dann? Haben wir wirklich Wintertag gerettet?“, fragt Althea. In diesem Moment kommt Tixx rein! „Kommt und besucht mein Infinirarium, das gerade in Götterfels angekommen ist. Liebe, Freude und Herzlichkeit soll in euren Herzen wohnen. Wir wollen Spaß zusammen haben, Geschenke verteilen und uns gegenseitig glücklich machen. Das Wintertagsfest der Menschen ist da und alle Völker Tyrias feiern mit. Für drei Tage soll überall Friede und Frohsinn herrschen.“


Frohen Wintertag wünschen Althea, Praga, Slaug, Gil, Grough, Hauptmann Brem, der Avatar des Blassen Baums, Meister Florgg, die Eltern von Althea, Dwayna, Subdirektor Noll, die Gassenschleicher von Götterfels, Reißende Welle, seine Mutter Gefolgt von der Nacht, der Grawl Schamane Okamuk und Leteos. Ein Danke an Euch, denn ohne Eure Mithilfe hätte diese Geschichte nicht erzählt werden können. Frohen Wintertag wünscht ganz Tyria der lieben GW2Community!