Ostern 2018: Geschichte – Ei 1: Kormir

8. Die Reise zum ersten Ei

Ihr Weg führt im großen Rund in südlicher Richtung. Vorbei an Bürgerinnen und Bürgern von Götterfels, bewacht von den Seraphen ziehen sie an Rurikstadt vorbei. Nicht weit entfernt ist das Asura-Portal nach Ebonfalke, welches in Grimmas Heimat führt. Wenig später sehen sie in einiger Entfernung das große Tor, welches Götterfels vor den Zentauren schützt, die immer wieder versuchen im Königintal für Ärger zu sorgen. „Wie fühlt Ihr euch?“, fragt Silas in Richtung von Isengora und Grimma. „Ich bin bereit meine Legende zu beginnen“, meint Isengora. Grimma nimmt ihren Bogen und sagt: „Ich kümmere mich um unser Mittagessen.“ Silas nimmt seinen Stab fest in die rechte Hand und gemeinsam verlassen sie Götterfels durch das große Tor.

Kurz hinter dem Tor kommt ihnen ein schwer beladener Packbulle entgegen. Vorsichtig schieben sie sich an ihm vorbei und gleich der erste Feldweg auf der linken Seite bringt sie Richtung Osten. An einigen Hauswänden fallen Grimma Plakate mit Schmähungen gegen die Königin und andere Völker auf. Isengora schüttelt den Kopf: „Wir leben alle in Tyria, was soll das?“ Da deutet Grimma den beiden anderen, ruhig zu sein. Ein Stück weiter läuft ein Huhn. Mit geschickten Bewegungen spannt Grimma den Bogen und im nächsten Augenblick wird das Huhn von dem Pfeil aufgespießt und bleibt neben dem Gitter liegen, das den Friedhof vom Rest des Dorfes abgegrenzt. Schnell laufen die drei los. Als sie bei den ersten Grabsteinen ankommen, sehen sie, dass das Huhn mitten in einem Blumenbeet gelandet ist. Ein Stück Petersilie hängt direkt aus dem Schnabel vom Huhn und weitere wilde Kräuter liegen um den Kopf herum verteilt. Da kommt die Anmerkung von Isengora: „Bei der Kraft der Bärin, Deine erste Jagdtrophäe ist also ein fertig gewürztes Hühnchen.“ Während die Norn laut loslacht und Grimma sie ziemlich beleidigt anfaucht, ist Silas weiter in den Friedhof hineingelaufen.

„Was willst du hier?“, fragt Isengora. Doch Silas erwidert nur abweisend: „Ach nichts. Lasst uns weiterziehen.“ Und so verlassen die drei den Friedhof und ziehen weiter die Straße entlang in Richtung Osten. An der Festung Shaemoor vorbei weiter in den Forst der Königin. Hier probiert Grimma abermals ihr Glück an einem Waldeber. Isengora staunt, wie elegant und fließend Grimmas Bewegungen sind. Die Pfote lässt die gespannte Sehne los und bringt so den Pfeil geht auf die Reise. Dieses Mal jedoch fehlt ein wenig Kraft. Grimma trifft den Eber, doch statt umzufallen dreht sich dieser zu ihnen um und greift die drei an. Schnell springt Isengora nach vorn, holt mit ihrem Stab aus und nach einigen wuchtigen Schlägen liegt der Eber zu ihren Füßen. „Das war lustig“, meint die Norn, während Grimma wütend vor sich hin faucht. „Wir brauchen Übung, damit wir lernen mit unseren Waffen umzugehen“, kommt von Silas. Grimma nickt nur, während Isengora fragt: „Was schlägst du vor?“ - „Wir nehmen Wespennester. Jeder von uns nimmt sich 5 Stück und probiert einen Angriff daran aus.“ Der Vorschlag von Silas wird von den anderen beiden angenommen. Die drei teilen sich auf und beginnen mit ihren Übungen.

Isengora schlägt mit ihrem Stab gegen einen Baum, bis ein Wespennest herunterfällt. Als die Wespen herauskommen, errichtet sie mit ihrem Stab eine Linie der Abwehr. Dabei lacht sie laut auf, als die Wespen im vollen Tempo dagegen fliegen und betäubt von dem Aufprall herunterfallen. Als jedoch die Linie zusammenbricht und sie so schnell keine Neue errichten kann, sehen die Wespen ihre Chance und fliegen in einem großen, kompakten Schwarm auf die Norn zu. Schnell wechselt Isengora auf ihr Großschwert. Damit zeichnet sie das Symbol des Zorns auf den Boden und mit der wirbelnden Zorn-Attacke erledigt sie fast den gesamten Wespenschwarm. Dennoch wird Isengora vorne am Hals und zwei Mal in die linke Wange gestochen. Das Gift lässt ihr Gesicht stark anschwellen, doch mithilfe des Rufes „Rückzug“ neutralisiert sie das Gift und die Schwellung geht langsam zurück.

In der Zwischenzeit hat Grimma die Kraft, die ihr die Rüstung und der Schmuck verliehen haben, unter ihre Kontrolle gebracht. Jeder Schuss mit dem Bogen trifft nicht nur das Ziel, sondern hat auch die beabsichtige Wirkung. Am Ende schießt sie noch einen Eber, welcher das spätere Mittagessen für die drei darstellen soll. Silas, der Elementarmagier, testet – genau wie seine Freundinnen – die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte. Bei seinem ersten Versuch zerfällt das Wespennest nach einer Feuerattacke zu Asche, doch nach und nach funktioniert es immer besser, bis er plötzlich ein bedrohliches Summen vieler Insekten vernimmt – oder ist es doch nur eines? Als Silas sich langsam umdreht, sieht er eine riesengroße Wespe, die wenige Meter vor ihm in der Luft schwebt. Eine Wespenkönigin.

„Isengora, Grimma!“, hallt der Schrei von Silas durch den Wald. Gleichzeitig aktiviert er die Wind-Einstimmung, um die Riesenwespe besser angreifen zu können. Der Flügelschlag der Wespe beschleunigt sich und das bedrohliche Summen wird lauter. Schnell löst Silas mit seinem Stab eine Blitzwelle aus, welche die Wespenkönigin blendet. Dadurch kann er zur Seite hechten und dem Angriff ausweichen. Silas will gerade wieder aufstehen, als die Wespe ihre Sicht zurückerlangt und zum erneuten Angriff ansetzt. Aus der Ferne fliegt ein Pfeil vorbei, der die Wespe an ihrer Taille verletzt. Ein lautes Summen und ebenso plötzlich, wie sie aufgetaucht ist, ist die Wespenkönigin wieder verschwunden. Dafür sind nun zwei Wespen-Wachen da. Isengoa kanalisiert mithilfe ihres Stabs Macht für die Gruppe und Silas wechselt, da er nun Rückendeckung hat, zur Feuermagie. Mit einem konzentrierten Flammenausbruch und einer gezielten Lavafontäne dauert es nicht lange, bis die erste Wespen-Wache regungslos am Boden liegt. Grimma visiert die zweite Wache an und lässt ihrer Kraft, welche durch Isengora noch einmal verstärkt wird, freien Lauf. Mit ihrem Schnellfeuer-Angriff nagelt sie die Wespe förmlich an den nächsten Baum. Als die Wespenkönigin merkt, dass ihre Wachen tot sind, stellt sie sich einem letzten verzweifelten Gefecht, welches die drei allerdings schnell für sich entscheiden können. Am Ende nimmt sich jeder seine Beute, bevor sie erst einmal alle durchatmen und ein wenig zur Ruhe kommen.

„Ich weiß nicht wie es Euch geht“, meint Silas, „aber ich brauche eine Pause nach diesem Erlebnis. Ein Stück weiter östlich steht eine alte Jagdhütte. Wenn wir unsere Beute dort abgeben, macht der Wirt uns vielleicht ein gutes Abendessen daraus und wir bekommen gegen einen Anteil ein trockenes und bequemes Nachtquartier.“ Isengora schaut nach oben in den Himmel. „Du hast Recht. Die Sonne geht bald unter und im Dunkeln weitermarschieren ergibt keinen Sinn.“ Eine Stunde später kommen die Abenteurer an der Jagdhütte an. Hüttenmeister Carthage, der Besitzer der Jagdhütte, wundert sich zwar über das Alter der drei, aber die Rüstungen, die sie tragen, lassen ihn vermuten, dass hinter den Kindern mehr steckt als es ihr Alter vermuten lässt. Also willigt er in den Handel ein und gibt der Gruppe ein Zimmer mit drei Betten im obersten Stockwerk der Jagdhütte. Silas, Isengora und Grimma beschließen nach den Anstrengungen des Tages auf ihrem Zimmer zu bleiben und dort zu essen. Zum einen wollen sie ihre Rüstungen ablegen und zum anderen haben sie Bedenken, wenn sie ihr wertvolles Gut alleine hier oben lassen, kommt vielleicht jemand auf dumme Ideen. Und ohne die Unterstützung ihrer Rüstungen, könnte ihr Abenteuer auch ganz schnell beendet sein. Wenig später liegen die drei im Bett und während Silas und Isengora schnell einschlafen, sortiert Grimma noch den Inhalt ihrer Taschen. Sie hatten viel gelernt heute, am ersten Tag ihrer Reise. Ich glaube Brandor wäre Stolz auf mich gewesen. Mit diesem Gedanken und einem leisen Schnurren schläft auch Grimma ein.

Am nächsten Morgen werden die drei von dem Duft eines Frühstücks geweckt. Der Hüttenmeister hat extra etwas Speck von Wildebern und Eier von Adler-Raptoren in der Pfanne angebraten und mit Chilipulver gewürzt. Der Duft sorgt dafür, dass die drei sehr schnell ihre Rüstungen anlegen und die schmale Treppe herunter hasten. Unten am Frühstückstisch stehen drei Teller und daneben jeweils eine Pfanne, wobei eine der Pfannen die doppelte Größe der anderen hat. Silas grinst und meint: „Okay, wir wissen schon mal wo Isengora sitzen wird.“ Während die Angesprochene sich an den beiden vorbei schiebt, meint die Norn nur mit einem Grinsen: „Macht mal Platz, ihr Flöhe. Ich habe Hunger.“ Mit lautem Gekicher setzten sich Grimma und Silas an den Tisch und alle drei genießen das köstliche Frühstück.

Die Sonne scheint durch das Fenster und als die Pfannen leer sind machen sich die drei zum Abmarsch bereit.

Nach der herzlichen Verabschiedung geht die Reise weiter zur westlichen Grenze der Gendarran-Felder. Auf ihrem Weg müssen sie sich noch zwei Mal gegen Skritt und Adler-Raptoren verteidigen, bis sie endlich am späten Vormittag den Übergang erreichen.

Nachdem die Gruppe den Durchgang passierte, besuchen sie auf der anderen Seite als erstes den Kaufmann, um ihre Taschen zu leeren. Erfreulicherweise stellen die drei fest, dass jeder schon ein Gold sowie einige Silber besitzt. So rüsten sie sich mit neuem Wiederverwertungswerkzeug aus und setzen ihre Reise fort. Erst nach Süden und um die Zentauren zu umgehen, führt der Weg sie anschließend wieder in Richtung Osten über die Nebo-Terrasse weiter zur Siedlung Ascalon. Als die Mittagssonne am höchsten steht, kommt die Gruppe in der Siedlung an. Silas hebt seinen Arm und meint: „In dieser Richtung ist ein Schrein der sechs Götter. Ich möchte für Kaia beten.“ Isengora und Grimma nicken und meinen: „Gut, wir haben mit Kiryn Brant gesprochen. Sie hat gefragt, ob wir helfen können, mit den Truppen Angriffe gegen Zentauren zu üben. Das wird auch uns helfen, besser zu werden.“ So trennen sich die Wege der drei und Silas geht über eine kleine Brücke herüber zum Schrein der sechs Götter. Neben ihm kniet eine Arbeiterin, auch sie betet zu den Göttern. Wofür sie wohl die Götter um Beistand bittet?, fragt sich Silas. Sein Blick richtet sich auf Dwayna. Erhabene Göttin Dwayna, bitte erhöre meine Worte. Auch wenn Isengora und Grimma nicht an dich glauben, schenke uns Deinen Segen, damit wir Kaia retten können und genug Geld für unser Waisenhaus sammeln können. Hast Du Brandor zu Grimma geschickt? Oder die Eule zu Isengora? Werden wir die Eier finden? Silas hofft auf ein Zeichen oder eine Antwort, in welcher Form auch immer, aber es geschieht … nichts. Nach einer Stunde erhebt er sich und verlässt enttäuscht den Schrein.

Er macht sich auf den Weg und am Rand der Siedlung stößt er auf Grimma und Isengora, die sich mit den Seraphen in wilden Übungskämpfen prügeln. „Hach ist das herrlich“, kann Silas von Grimma schon aus einiger Entfernung hören. „Soviel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr. Los mach mit!“, ruft sie zu ihm herüber. Aber der Blondschopf hat keine Lust: Die Enttäuschung, dass die Götter auf seine Gebete in keiner Weise reagiert haben, sitzt immer noch tief und damit vergeht ihm auch jede Lust an einem Kampf. Als die Seraphen des Kämpfens müde sind, ziehen sich auch Grimma und Isengora zurück. „Es wird Zeit weiterzuziehen“, meint Silas und die beiden stimmen dem Jungen zu. So verlässt die Gruppe die Siedlung Ascalon und zieht weiter Richtung Osten. Ihr Weg führt sie über die Füllhorn-Felder zum Almuten-Anwesen, als es gerade dämmert. „Wir sollten versuchen, hier ein Quartier für die Nacht zu bekommen“, meint Silas. „Kennst Du den Besitzer?“, fragt Isengora. „Nein, aber wer nett fragt, bekommt oft nette Antworten hat Hazadim mir beigebracht.“ So betreten die drei das Haus und treffen schon bald den Hausherren, einen Asura mit dem Namen Meister Wrelk. „Ich begrüße Euch in meinen bescheidenen vier Wänden. Was kann ich für Euch tun?“ Die drei bitten um ein Quartier für die Nacht und es stellt sich heraus, dass Meister Wrelk grundsätzlich einverstanden ist, jedoch stellt er eine Bedingung: „Ich war früher ein bedeutender Hauptmann der Löwengarde, doch seit drei Jahren bin ich aus dem Dienst ausgeschieden und so auch nicht mehr nach Löwenstein gekommen. Habt Ihr Neuigkeiten für mich?“ Da schiebt sich Isengora nach vorne und beginnt zu prahlen: „Dann habt Ihr von meinen Heldentaten in Löwenstein noch nichts gehört? Ich muss Euch unbedingt davon berichten.“ Grimma und Silas schauen sich verwundert an, spielen aber beim Spiel ihrer Freundin mit. Über eine Stunde lang erzählt Isengora eine wilde Geschichte nach der anderen und Meister Wrelk hängt während dieser Zeit gespannt an ihren Lippen.

Schließlich unterbricht Grimma die Prahlerei von Isengora: „Bitte verzeiht, Meister Wrelk. Können mein Freund und ich schon mal unser Quartier beziehen?“ – „Jaja , geht nach unten. Meine Tochter wird Euch eure Plätze zeigen. Und jetzt erzählt bitte weiter, Isengora.“ Während Isengora eine unglaubliche Geschichte nach der anderen aus ihrer Fantasie zaubert, gehen die beiden anderen nach unten, wo sie Fräulein Mipp, die Asura-Tochter treffen. „Hallo, Ihr seht freundlich aus. Mein Vater hat mir gesagt, dass Gäste kommen. In dem kleinen Hochbett da, dort schlafe ich. Du, Junge, kannst in die Hängematte. Die Mieze schläft wohl am besten im Bett und die Riesin kann, wenn Papa mit ihr fertig ist, auf der großen Couch übernachten.“ Rechtschaffen müde nach den langen Wanderungen und Kämpfen legen sich Silas und Grimma auf die ihnen zugewiesenen Plätze. Von oben hört man immer noch gedämpft die Stimme von Isengora: „Und dann habe ich mir Scarlet Dornstrauch persönlich geschnappt und ordentlich durchgeschüttelt, bis sie um Gnade flehte. Anschließend habe ich mir Kapitän Mai Trin und ihren ersten Maat Horrik zur Brust genommen …“ Silas schüttelt bei soviel Blödsinn nur den Kopf, der ihm aber immer schwerer wird und wenig später schläft er ein.

Mitten in der Nacht wacht Silas auf. Ein Lichtschein in der Ecke hat ihn geweckt. Langsam steht er auf. Sollte ich Grimma wecken? Ist Isengora immer noch oben bei Meister Wrelk? Nein, die Norn liegt lang ausgestreckt auf der Couch und schläft. Ihre Atemzüge gehen ruhig und regelmäßig. Grimma scheint ebenfalls zu träumen. Ihre Schnurrhaare zucken hin und her und dann zittert sie plötzlich am ganzen Körper. Dann richtet Silas sein Blick wieder auf den Lichtschein. Schritt für Schritt geht er näher, bis er das Licht scheinbar mit seinen Händen berühren kann. In diesem Moment fährt ein Schmerz in seinen Fuß. Ein Splitter am Boden hat sich in ihn gebohrt. Der Schmerz gibt Silas die Sicherheit, dass er nicht träumt. Vorsicht entfernt er den Splitter aus seiner Fußsohle und macht den letzten entscheidenden Schritt auf das Licht zu. Der Junge tritt ein in eine Welt voller Licht. Es scheint überall zu sein. Erst nach und nach erkennt er die weiße Fläche aus Schnee unter sich, über die er scheinbar schwebt. Da erspäht er in einiger Entfernung Adler-Greife, die in ihren Nestern sitzen und brüten. Nur ein Nest ist unbesetzt und darin sieht Silas drei Eier. Nein, es sind vier Eier. Aber das vierte Ei ist anders als die anderen. Es reflektiert das Licht, als ob es aus vielen winzigen Kristallen bestünde, die ihre Lage andauernd verändern. Dazu kommt eine Aura, die Silas deutlich macht, dass dieses Ei etwas besonderes sein muss. Dieses ist das Ei der Geheimnisse der Göttin Kormir. Wir müssen schon sehr nahe dran sein, denkt Silas sich. Dwayna hat mich also doch erhört und mir eine Botschaft geschickt. Voller Scham, weil er ungläubig war und an den Göttern gezweifelt hat, wendet er sich von dem Bild ab. Er geht zwei Schritte rückwärts und steht wieder im Zimmer. Das Licht wird immer kleiner und verschwindet schließlich gänzlich. Das schlechte Gewissen pocht aber noch immer in seinen Gedanken und so kniet er sich neben die Hängematte hin spricht stumm ein Gebet an Dwayna in dreiundzwanzig Versen.

9. Das erste Ei ist nah

Fräulein Mipp weckt die drei morgens noch deutlich vor dem Sonnenaufgang. Dementsprechend verschlafen steigen die drei aus ihren Betten. „Sag mal, Isengora“, fragt Grimma, „wie lange hast Du gestern noch Deine Geschichten zum Besten gegeben?“ Die Norn schaut Grimma aus müden Augen an. „Ich glaube, es war zwei Stunden nach Mitternacht, als Meister Wrelk endlich ins Bett ging. Ich bin fix und fertig.“ – „Aber Isengora“, kommt da von Silas, der fies am grinsen ist, „meine Heldin, die Scarlet Dornstrauch mit eigenen Händen erschlagen hat, Zaithan besiegt und den Dschungel-Drachen Mordremoth gezähmt hat, wie kannst Du müde sein?“ Da fliegt ein Kissen aus der Richtung der Couch in direkter Flugbahn auf Silas zu und drückt ihn an die Wand. Es gibt ein „Klong“, als er mit dem Hinterkopf an die Wand stößt und im letzten Augenblick hören die zwei Silas noch sagen: „Seit wann fliegen Meteoriten um meinen Kopf herum?“, als seine Knie weich werden und der Körper zurück auf die Hängematte fällt. „Treffer, versenkt“, kommt von Isengora, während sie sich weiter anzieht.

Mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne und einem letzten Gruß zieht die Gruppe weiter. Ihr Weg führt sie zum Eingang eines Höhlensystems, welches von drei Löwengardisten bewacht wird. Zuerst wundern sich die drei, was das soll, bis sie bemerken, dass der Tunnel Teil eines Schaufler-Bergwerkes ist. Die Gruppe beeilt sich vorwärts zu kommen, denn auf eine Begegnung mit Schauflern hat keiner von den dreien Lust. Als sie dann das Ende des Tunnels erreichen, erwartet sie Kälte und Schnee. Während Isengora tief durchatmet und das Ganze sichtlich genießt, spürt Grimma vor allem die Feuchtigkeit vom Schnee, der über die Rüstung ins Fell kriecht. Kurz hinter der Höhle finden die drei den Durchgang zu Lornars Pass. Ein Schritt weiter und sie sind endlich in den Zittergipfeln.

„Das Ei ist nah“, sagt Silas. Isengora dreht sich zu ihm um: „Woher weißt Du das?“ – „Ich hatte heute Nacht eine Vision“, und Silas erzählt, was er gesehen hat. „Ich bin hier aufgewachsen“, meint Isengora, „und die Eule hat mir gezeigt, wo unser Ziel liegt.“ Silas spürt, dass seine Erzählung bei Isengora nicht gut angekommen ist und zieht sich deshalb auf dem weiteren Weg ein Stück zurück, um ihr die Führung der Gruppe zu überlassen. „Achtung eine Falle!“, ruft Grimma. Vor ihnen liegt eine Karawane mit bewusstlosen Packbullen und Karawanen-Führern, als eine Horde Skritt aus dem Boden geschossen kommt und angreift. Grimma wechselt von ihrem Bogen auf das Heldenschwert und die Axt. Mit schnellen, präzisen Hieben beseitigt sie ihre Gegner. Silas lässt Meteore vom Himmel regnen, die wie Bomben auf die Gegner fallen. Isengora lässt ihr Großschwert kreisen und nach der dritten Welle lassen die Skritt mit ihren Angriffen nach. Sie merken, hier ist für sie nichts zu holen und sich nur eine blutige Nase zu holen ohne Aussicht auf Glänziges, lässt den Mut schnell schwinden. Am Ende des Kampfes hilft jeder so gut wie möglich den Bewusstlosen, um sie wieder aufzupäppeln. Als die Karawane dann wieder steht, begleiten die drei sie noch ein Stück und am Ende bekommen sie sogar eine Belohnung von den Karawanen-Führern, die überglücklich sind, doch noch ihr Ziel erreicht zu haben. „Die Taschen füllen sich gut“, kommt von Isengora. „3 Gold und 23 Silber habe ich schon zusammen.“ Wenig später geht die Reise weiter. Immer noch führt der Weg sie weiter nach Osten. An der Nebelriss-Klamm aktivieren die drei wieder eine Wegmarke, als Isengora die Nase in die Luft hält. „Ich kann es riechen!“ – „Was kannst Du riechen?“, fragt Grimma. „Die Ausdünstungen von Grawlen. Es ist wie in meinen Traum, erst kamen die Grawle, dann die Adler-Greife mit ihren Nestern …“ – „… und in einem der Nester liegt das Ei der Kormir“, vollendet Silas den Satz. Isengoras Gesichtsausdruck verdüstert sich wieder, als sie sagt: „Ja, in einem der Nester liegt das Ei.“ Vorsichtig ziehen die drei weiter. Gegner, die rechts oder links des Weges patrouillieren, versuchen sie zu umgehen. Eine Stunde Fußmarsch später sehen sie die ersten Adler-Greife. „Es führt kein Weg dran vorbei“, meint Isengora. „Wir müssen sie beseitigen.“ Grimma und Silas nicken nur und nehmen ihre Waffen fest in die Hand. Isengora verstärkt die Kraft der Gruppe und so jagen sie Adler-Greif auf Adler-Greif. „Das erste Nest – verdammt, Fehlanzeige!“, kommt von Isengora. Weiter, die nächsten Gegner rupfen und das Nest durchsuchen. „Bei Brahams Bogen, was soll das?!“, flucht Isengora, als das Nest wieder leer ist. Weiter zum nächsten. Da fällt Silas ein anderes Nest auf. „Da ist das Ei, ich kann es sehen!“ Schon kommt ein Adler-Greif im Sturzflug an und verletzt Isengora am Kopf. Silas wechselt auf Wasser-Einstimmung und heilt die Norn so gut er kann. Das Blut von der Kopfwunde verschwindet in der Wasserfontäne der Heilung, doch Isengora stöhnt auf und sackt zusammen. Da landet der Körper des Adler-Greifs von Pfeilen durchbohrt direkt neben Silas, der erschrocken aufspringt. „Das war der letzte“, ruft Grimma und kommt zu Silas und Isengora, die immer noch am Boden liegt. „Beim Zahn von Jormag, was zum Teufel hat mich da getroffen?“ Silas grinst und meint: „Die große Heldin Tyrias wird von einem Adler-Greif ausgeknockt.“ Da werden Isengoras Augen plötzlich groß. „Das Ei!“ Mit einem Satz springt sie auf, schwankt ein wenig und geht in die Knie. Auf allen Vieren rutscht sie auf das Nest zu. Silas will gerade in die gleiche Richtung, als Grimma ihn festhält. Sie schüttelt den Kopf und meint: „Es ist nicht dein Ei.“ Verstört schaut Silas sie an. „Was meinst Du?“ – „Erinnere dich daran, was Brandor zu mir gesagt hat. Jeder von uns kann zwei Eier öffnen und benutzen. Isengora hatte den Traum mit dem Hinweis deutlich vor dir. Isengora und das Ei der Kormir gehören zusammen.“ So bleibt Silas bei Grimma zurück und beide schauen Isengora zu, wie sie auf allen Vieren schließlich das Nest und das Ei erreicht. Mit einem letzten Kraftakt, streckt sie die Hand aus und berührt das Ei.

10. Geheimnisse werden enthüllt

„Was passiert hier?“, schreit Silas. Alles wird auf einmal so groß! Die Umgebung, die Nester, die Eier und das Ei. Es strahlt in Farben, Formen und gleichzeitig spiegeln sich ihre überraschten Gesichter in Tausenden von Spiegeln. Dann werden sie in das Ei hineingezogen und als Grimma sich umschaut sieht sie noch, wie der Zugang sich hinter ihnen schließt.

Der Lichtstrahl, der sie transportiert, setzt sie vorsichtig auf einer Brücke ab, die aus Kristallen zu bestehen scheint. „Wo sind wir?“, fragt Isengora. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, wir sind im Ei“, antwortet Grimma. „Schaut, da vorn geht es in eine große Halle.“ Silas und Isengora folgen dem Pfotenzeig, als Isengora auch schon mit schnellen Bewegungen nach vorne stürmt, so dass die beiden anderen Mühe haben, Schritt zu halten. Ein Torbogen bildet den Eingang zu der Halle, in der riesige Schränke mit Büchern stehen. Ab und zu schwebt ein Buch vorbei, wartet scheinbar kurz in der Luft und sucht sich dann einen neuen Platz in einem der Schränke. Fasziniert schauen die drei dem Treiben der Bücher zu. „Was steht in den Büchern drin?“, fragt Silas. „Geheimnisse“, erklingt da die Stimme einer Frau, die von der rechten Seite auf sie zukommt. „Jeder hat Geheimnisse und ich schütze sie, solange sein Besitzer es wünscht.“

„Bist Du Kormir, die Göttin der Geheimnisse?“, fragt Silas. „Ja, die bin ich, und nein, ich bin es nicht. Ich weiß, warum ihr hier seid. Kommt, setzen wir uns an den Tisch.“ So führt Kormir ihre Gäste tiefer in die große Halle hinein und je weiter sich die drei umschauen, desto mehr haben sie das Gefühl, die Halle und die Regale haben nach oben hin kein Ende. „Bitte setzt euch. Ich bin ein Gedankenecho der Göttin. Ich habe ihr Wissen, aber nicht ihre Macht. Ich kann und werde Euch helfen, aber alles hat seinen Preis. Geheimnisse, die enthüllt werden, verändern die Situation und es müssen Entscheidungen getroffen werden. Ihr müsst Entscheidungen treffen.“ Isengora schaut die Göttin an und meint: „Ich versteh kein Wort. Wir sind hier, um Gold für das Waisenhaus zu finden, um es zu erhalten, und um Kaia zu retten. Kannst Du uns helfen?“ – „Jeder der Götter hat ein Ei erschaffen, um in der Stunde der Not zu helfen. Der vernichtete Gott Balthasar war der Gott des Krieges und des Feuers. In vielen Schlachten, die zu seinen Ehren geführt worden sind, blieb das Gold der Besiegten zurück. Die Priester Balthasars sammeln dieses Gold an einem geheimen Ort. Das Ei des vernichteten Kriegsgottes wird Euch offenbaren, wo Ihr diesen Schatz findet und Euch legitimieren, einmal so viel davon zu nehmen, wie Ihr tragen könnt. Isengora, es werden Deine Hände sein, die das Ei öffnen können. Silas“, und damit wendet sich das Gedankenecho dem Jungen zu, „Du willst aus Liebe und Mitgefühl ein Leben retten. Das Ei der Dwayna wird Dir helfen, aber es wird nicht reichen. Die Macht eines anderen Gottes wurde benutzt, um das Gift magisch zu verstärken. Du mußt das Ei von Grenth finden. Die dunkle Macht des Todes in dem Ei muss sich verbinden mit der hellen Seite des Lebens von Dwayna. Nur Ogden Steinheiler, der alte Zwerg, kann diese Verbindung herstellen und zu einem Amulett vereinigen.“ Damit wendet sich das Gedankenecho der Göttin zu der Charr. „Grimma, Du stammst in direkter Linie von Brandor Grimmflamm ab. Auch wenn Brandor Götter in jeder Form abgelehnt hat, so hat Melandru bis zum Schluss über ihn gewacht und auch seine letzten Schritte geführt. Jetzt hat die Göttin an Dich eine Bitte. Der Weiße Mantel arbeitet am Doric-See an einer schrecklichen Waffe, die Götterfels zerschmettern wird. Lyssa hat Königin Jennah einen Teil ihrer Kraft gegeben, aber das wird nicht reichen, um Götterfels zu retten. Innerhalb von Fort Evenia, welches durch den Weißen Mantel kontrolliert wird, arbeiten Techniker der Inquestur und des Weißen Mantels an einer Waffe, die mit kompletten Stücken des Blutsteins arbeitet. Wie Du vielleicht weißt, wurden damals viele unschuldige Menschen auf dem Blutstein geopfert. Ihre Seelen sind voller Wut und Zorn und damit auf Zerstörung aus. Die Waffe schleudert diese Seelen durch den Abwehrschild der Königin und lässt sie danach innerhalb von Götterfels materialisieren. In ihrem Zorn werden sie alle Töten, die sie sehen, und es sind viele, die durch die Waffe nach Götterfels kommen werden. Deine Aufgabe wird sein: Finde das Ei der Melandru und die Göttin wird Dir Zugriff auf die göttliche Spezialisierung ‚Seelenwandler‘ geben. Du wirst mit der Hilfe der Spezialisierung einen besonderen Tiergefährten suchen und zusammen werdet Ihr euch im Kampf gegen Eure Gegner vereinigen. Doch das alleine reicht nicht. Ihr müsst in die Festung des Weißen Mantels und Grimma Zeit geben, die Waffe zu finden und zu vernichten. Das Ei der Lyssa wird Euch helfen, Euch dreimal für jeweils drei Stunden das Aussehen Eurer Feinde zu geben. Dies wird Euer Einlass in die Festung des Weißen Mantels werden.“ – „Wann wird die Waffe fertiggestellt sein?“, fragt Isengora. „In acht Tagen“, lautet die Antwort. „Und wenn wir versagen?“, fragt Silas leise. „Dann war alles, was Ihr getan habt umsonst“, kommt die Antwort vom Gedankenecho. „Will eigentlich keiner von Euch mal fragen, wo die anderen fünf Eier sind?“, kommt es direkt von Isengora. Das Gedankenecho blickt Silas in die Augen. „Du hast die Wahrheit gesehen, doch das Gefühl, helfen zu müssen, war stärker. Der Schleier des Vergessens liegt auf dem Bild in Deinem Kopf.“ Da fällt ein Buch runter und trifft direkt den Kopf von Silas. Das letzte, was er hört, ist: „Eure Zeit ist um“, dann wird alles schwarz und er verliert das Bewusstsein.

11. Die Reihenfolge muss festgelegt werden

Als Silas erwacht, liegen Grimma und Isengora neben ihm im Schnee. Das Ei der Kormir liegt verschlossen neben ihnen und der Blondschopf muss den Wunsch, das Ei zu ergreifen, unterdrücken. Wer weiß was dann passieren würde? Da bewegt Grimma ihre linke Pfote und auch Isengora wackelt mit ihrem rechten Zeh. Beides eindeutige Anzeichen, dass sie auch bald erwachen.

„Was bei den Söhnen Svanirs war das?“, fragt Isengora wenig später. So langsam kommen die Erinnerungen an das Geschehene zurück. „Waren wir wirklich in dem Ei?“, fragt Grimma. Mit einer schnellen Bewegung greift Isengora nach dem Ei, aber nichts passiert. „Ich denke es wird das beste sein, wenn ich es in meiner Tasche verstaue.“ – „Ich weiß es!“, ruft Silas und seine Augen leuchten auf. Die beiden drehen sich zu ihm und schauen ihn verständnislos an. „Was weißt Du?“, fragt Grimma. Da wird Silas plötzlich sehr blass. Mit leisen Worten sagte er: „Ich weiß, wo die Eier sind. Aber das ist unmöglich! Das kann nicht sein … Nein, dass können wir nicht schaffen!“ Silas rennt los und die beiden anderen hinterher. „Bleib stehen!“, ruft Isengora, doch Silas hört nicht auf ihre Rufe. „Grimma, er läuft direkt auf den Abgrund zu. Du musst ihn stoppen!“ Grimma spurtet auf allen Vieren los und im letzten Moment kann sie Silas an seinem Mantel greifen, festhalten und herumreißen. Seine Augen leuchten wild auf und sein Gesicht scheint in Flammen zu stehen. Grimma hält ihn fest und faucht ihn an: „Was hast Du gesehen? Wo sind die Eier?“

Silas ist wie in Trance, als er sagt: „Das Ei von Grenth liegt in den vermoderten Tiefen der Grasgrünen Schwelle, genau im Mittelpunkt. Das Ei der Melandru liegt in den Artesischen Gewässern der Fluchküste, mitten in der hohen See. Das Ei des Balthasar liegt im Vulkan des Mahlstromgipfels. Das Ei der Lyssa liegt versteckt unter einem uralten Karka im Karka-Bau der Südlicht-Bucht. Das letzte Ei, das der Dwayna, ist in der Unterwasserstadt der Quaggan, versteckt in Okarinuu.“ Mit diesen Worten sackt Silas in sich zusammen. Grimma fängt ihn auf und legt ihn mit der Hilfe Isengoras auf ein Greifennest in der Nähe. „Was tun wir jetzt?“, fragt Isengora. „Wir legen die Reihenfolge fest, in der wir die Eier suchen. Ihan kann Kaia jetzt noch vierundzwanzig Tage am Leben erhalten. Die Waffe des Mantels wird aber schon in acht Tagen einsatzbereit sein. Daher müssen meine Eier Vorrang haben. Wir müssen so schnell wie möglich in die Fluchküste. Die Südlicht-Bucht können wir anschließend über Löwenstein sehr schnell erreichen.“ – „Wir müssen mit sieben Tagen Reisezeit zur Fluchküste rechnen“, meint Isengora. „Du willst über Löwenstein nach Süden?“, fragt Grimma. – „Kennst Du etwa einen besseren Weg?“ – „Nein, ich denke wir werden uns unterwegs einer Karawane des Paktes anschließen. Das macht die Reise sicherer.“ – „Kommt drauf an, wie lange die Karawane braucht“, gibt Isengora zu bedenken. Da erwacht Silas langsam aus seiner Ohnmacht. „Mein Kopf, alles dreht sich“, kommt stöhnend von dem Jungen. Isengora, mitfühlend wie immer, hebt Silas auf und stellt ihn auf die Füße. „Alles klar bei Dir?“ – „Es geht so“, kommt die Antwort vorsichtig zurück. „Während Du geschlummert hast, haben wir uns Gedanken gemacht, in welcher Reihenfolge wir die Eier holen. Komm wir machen uns auf den Weg, wir erzählen dir alles unterwegs.“